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4140. An Carl Friedrich Zelter

... jetzigen Zustande doppelte Freude.

Das Resultat eures Künstlervereins ist ein wunderliches Werk; ich möchte sagen: Hier ist Brennmaterial genug, aber weder zu einem Rogus kunst- und sinngemäß geschichtet, noch durch des Geistes Flamme fröhlich entzündet; es steht alles so neben einander und wird höchstens durch den Anklang der Stengelgläser in Harmonie gesetzt.

Das Manuscript zu dem neuen Heft von Kunst und Alterthum liegt fertig und redigirt zum größten 48 Theile vor, so daß der Druck gleich angefangen werden könnte; doch mag ich nicht daran gehen, bis die Anzeige meiner Werke in die Welt ist. In meinen Jahren muß man sich darüber ein Gesetz machen und darf sich nicht einbilden, daß man, wie Friedrich der Große im siebenjährigen Krieg, nach allen Seiten hin aus dem Stegreif schlagen und siegen könne.

Unserm werthen Freunde Langermann vermelde die besten Grüße und dank ihm zum besten, daß er durch sein Wort den Mann bestätigen wollte, den wir zu unserm Heil erwarten; niemand bedarf dessen mehr als ich. Man kann sich nicht immer im Gleichgewicht halten und leider, wenn es einmal in's Schwanken geräth, stellt es sich in meinen Jahren von selbst nicht leicht wieder her.

Daß die guten Bracebridge deinem herrlichen Gesangserproben glücklich beygewohnt haben, wie wir aus den letzten Briefen vernehmen, ist die Hauptsache. Empfehlungsbriefe zerren herüber und hinüber, und ich weiß die lustige Geschichte einer fürtrefflichen Frau, die, weil sie in einer Schweizerstadt an die Montagues und Capulets zugleich empfohlen war, fast keinen Schritt aus dem Wirthshause thun durfte. Aus ihrem Munde war es das Anmuthigste zu hören, wie sie der allerliebenswürdigsten Pfiffe bedurfte, um nur einigermaßen zu ihren Zwecken zu gelangen.

Und so beweisen Anekdoten des Privatlebens wie der Weltgeschichte, daß wir uns eigentlich mit Albernheiten, 49 Gefahr und Noth herumschlagen und herumschlagen werden.

Nächster Tage liegt unsre Correspondenz, auf's reinlichste abgeschrieben, in mehrere Bände geheftet, vor mir; da kannst du nun wohl einmal eine Wallfahrt antreten, um einem solchen Werke die gebührende Ehre zu erzeigen. Ich werde sie nun an ruhigen Abenden mit treulichem Bedacht durchstudiren und bemerken, wie es allenfalls künftig damit zu halten seyn möchte. Es ist ein wunderliches Document, das an wahrem Gehalt und barockem Wesen wohl kaum seines Gleichen finden möchte.

[ Gräf Nr. 1381: Sodann darf ich dir wohl vertrauen: daß, um der ersten Sendung meiner neuen Ausgabe ein volles Gewicht zu geben, ich die Vorarbeiten eines bedeutenden Werks, nicht in der Ausdehnung, sondern in der Eindichtung, wieder vorgenommen habe, das seit Schillers Tod nicht wieder angesehen worden, auch wohl ohne den jetzigen Anstoß in limbo patrum geblieben wäre. Es ist zwar von der Art, daß es in die neueste Literatur eingreift, daß aber auch niemand, wer es auch sey, eine Ahnung davon haben durfte. Ich hoffe, da es zu Schlichtung eines Streites gedacht ist, große Verwirrung dadurch hervorgebracht zu sehen. ]

Wolltest du mir, mein Theuerster, die Erlaubniß geben deinen Hymnus zu Mozarts Geburtstag in Partitur zu setzen, so würde ich den Versuch machen, inwiefern es mir gelänge. Wegen der Anwendung könnte man alsdann übereinkommen.

Laß ja manchmal deine Feder laufen und schreib von alten und neuen Dingen, so klar und wunderlich als dir beliebt.

Dem Guten und Besten empfolen

treulich

Weimar den 3. Juni 1826.

G.