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529.

1811, 8. Mai.

Mit Sulpiz Boisserée

a.

[ Gräf Nr. 1126: Am Mittwoch fand ich ihn Morgens im Garten; wir sprachen über Cornelius; er hatte ihm geschrieben und ihn recht gelobt, ihm aber zu verstehen gegeben, daß er bei altdeutschem Geist, Tracht u.s.w. mehr Freiheit in der Behandlung selber wünsche und hatte ihn an Dürer's Gebetbuch verwiesen. Er fragte, ob ich dem nicht Beifall gäbe? Du kannst denken, daß das ganz willig geschah, ich aber meinen Tadel über vieles andere von Dürer bündig hinzufügte. ] Ich bemerkte ihm dabei: er würde wohl an meiner ganzen Denkart, so sehr ich mich auch in das deutsche Alterthum vertieft, eine redliche Unbefangenheit wahrgenommen haben, und da leugne ich denn recht viele Widerwärtigkeiten von unserm handfesten Meister Dürer durchaus nicht, und wir seien über das, wie über manches andere ähnlicher Art oft mit Schlegel uneins gewesen, der bei seinem regen, eifrigen Sinn für das Bessere gerade da, wo es vergraben und verkannt ist, nie der Sünde einer ungewöhnlichen Einseitigkeit entgehen könne.

b.

Nachmittags nach Tisch saßen wir allein; er lobte recht mit aller Wärme und allem Gewicht meine Arbeit.

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Ich hatte das erhebende Gefühl des Siegs einer großen, schönen Sache über die Vorurtheile eines der geistreichsten Menschen, mit dem ich in diesen Tagen recht eigentlich einen Kampf hatte bestehen müssen; ich hätte ihn gewiß nicht errungen, wäre ich nicht durch so genaue Bekanntschaft mit meinem Gegner, mit dessen Gesinnungen ich besonders durch Reinhard sehr vertraut war, gar trefflich vorbereitet gewesen. Ich gewann hauptsächlich dadurch, – was auch meiner eigenen innersten Neigung und Überzeugung am gemäßesten ist – daß ich rein die Sache wirken ließ und immer nur auf die Gelegenheit bedacht war, wann ich sie am besten wirken lassen konnte; er äußerte sich auch ganz demgemäß über das Werk. »Ja, was Teufel! man weiß da, woran man sich zu halten hat: die Gründlichkeit und Beharrlichkeit, womit die Sache bis in's Kleinste verfolgt ist, zeigt, daß es lediglich nur um die reine Wahrheit und nicht darum zu thun, zu wirken, um Aufsehen zu erregen.« Ich fühlte die uns im Leben so selten beschiedene Freude, einen der ersten Geister von einem Irrthum zurückkehren zu sehen, wodurch er an sich selber untreu geworden war; es konnte keinen wohlthätigern wahren Beifall für mich geben; ich sagte ihm, wie ich es erkenne, wie hoch ich den Beifall schätze, von ihm, der diese Kunst gewissermaßen ein für allemal abgefertigt gehabt, wie sehr mich eine so ernste, wahrhafte Erkenntniß meines Strebens in der Sache entschädige, für den oft schmerzhaften, nie aber das Herz erfreuenden, leider unentbehrlichen Beifall der großen Welt, zumeist der Fürsten, die gewöhnlich jedem Hanswurst und Schauspieler denselben schenken.

Ich sprach, wie eben meine Stimmung mir es eingab; ich weiß nicht, wie ich die Worte setzte, sie mußten meine Bewegung kundgeben; denn der Alte wurde ganz gerührt davon, drückte mir die Hand und fiel mir um den Hals; das Wasser stand ihm in den Augen.