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Am 11. wünscht Charlotte nachträglich ihrem Fritz zu seinem Geburtstage Glück. „Ich konnte mich in dem unglücklichen Monat Oktober keiner freudigen Begebenheit mehr erinnern“, schreibt sie. „Meine guten Wünsche begleiten Dich immer. Der Brief von Deinem Bruder wird Dich amusiren; auch leg’ ich Dir einen vom kleinen Karl bei. Vielleicht erlebe ich auch noch eine Korrespondenz von Mariechen und Lothar. Möge Dir ein stilles häusliches Glück nicht geraubt werden und so viel Muße bleiben, Dich mit immer höherer Bildung abzugeben und ein Glück zu genießen, das kein Eroberer rauben kann. [ Biedermann-Herwig Nr. 2570: Gestern Abend war ich bei der Herzogin. Goethe hat neue Scenen in seinen Faust gemacht und las sie vor; Sie werden in sechs Wochen ungefähr gedruckt erscheinen. Es ist ein sehr genialisches Stück und mit Wahrheit sagt er in der Vorrede, daß er einen vom Himmel bis zur Hölle führt. Es sind jetzt öfterer Vor 274lesungen vom Goethe in einem sehr kleinen Cirkel bei der Herzogin. Die Erbprinzeß, Prinzeß Karoline, die zwei Oberhofmeisterinnen und ich, selten Herren. Wenn es dem Goethe lange gemüthlich bleiben wird so fortzufahren, wird es hübschere Abende geben, als die des ewigen Kartenspiels. Aber beinah noch hübscher sind die Dienstage früh bei Prinzeß Karoline, wo er auch manchmal hinkommt und ohne Vorlesung die geistreichsten Dinge sehr angenehm auseinanderwickelt; er ist da weniger genirt und weiß, daß er in der Prinzeß Karoline einen feinen Sinn findet. Ich habe zwei Reden von ihm bekommen aus der Münchener Akademie der schönen Wissenschaften, eine von Jacobi und eine von Schelling gehalten. Die vom Jacobi hat mich sehr belehrt, die vom Schelling, welche Goethe der erstern vorzieht, habe ich aber gar nicht verstanden, doch hat er mir’s vorausgesagt; indessen macht mir’s Spaß, sie mir nach meiner Art auszulegen. ] Prinzeß von Oranien nebst der Erbprinzeß von Braunschweig, ihrer Tochter, ist nach Berlin abgereist; es sind recht gute Menschen und sehr gefaßt in ihrem Unglück. – Tausend Grüße an die kleine Frau. Ich hätte ihr wohl gewünscht, daß sie Tasso neulich gesehen hätte; himmlisch hat Wolff gespielt, der den Tasso machte, aber die Kleine hätte doch Etwas zu tadeln gefunden. Goethe ist auf zwölf Tage nach Jena gereist. Wenn er Etwas arbeiten will, so nimmt er immer seine Zuflucht dahin; denn seine Celebrität setzt ihn immer so vielem Zuspruch aus, daß er hier nicht zu sich selbst kommt.“