∞Garten.
∞Margarete.
3073Ich fühl’ es wohl, daß mich der Herr nur schont,
3074Herab sich lässt, mich zu beschämen.
3075Ein Reisender ist so gewohnt
3076Aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen;
3077Ich weiß zu gut, daß solch’ erfahrnen Mann
3078Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann.
∞Er küsst ihre Hand.
201
∞Margarete.
3081Incommodirt euch nicht! Wie könnt ihr sie nur küssen?
3082Sie ist so garstig, ist so rauh!
3083Was hab’ ich nicht schon alles schaffen müssen!
3084Die Mutter ist gar zu genau.
∞Gehn vorüber.
∞Mephistopheles.
3086Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!
3087Mit wie viel Schmerz verlässt man manchen Ort,
3088Und darf doch nun einmal nicht bleiben!
∞Marthe.
3089In raschen Jahren geht’s wohl an,
3090So um und um frey durch die Welt zu streifen;
3091Doch kömmt die böse Zeit heran,
3092Und sich als Hagestolz allein zum Grab’ zu schleifen,
3093Das hat noch Keinem wohl gethan.
∞Gehn vorüber.
∞Margarete.
3096Ja, aus den Augen aus dem Sinn!
3097Die Höflichkeit ist euch geläufig;
3098Allein ihr habt der Freunde häufig,
3099Sie sind verständiger als ich bin.
∞Faust.
3102Ach, daß die Einfalt, daß die Unschuld nie
3103Sich selbst und ihren heil’gen Werth erkennt!
3104Daß Demuth, Niedrigkeit, die höchsten Gaben
3105Der liebevoll austheilenden Natur –
∞Margarete.
3106Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur,
3107Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.
∞Margarete.
3109Ja, unsre Wirthschaft ist nur klein,
3110Und doch will sie versehen seyn.
3111Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, stricken
3112Und nähn, und laufen früh und spat;
3113Und meine Mutter ist in allen Stücken
3114So accurat!
3115Nicht daß sie just so sehr sich einzuschränken hat;
3116Wir könnten uns weit eh’r als andre regen:
3117Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen,
3118Ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt.
3119Doch hab’ ich jetzt so ziemlich stille Tage;
3120Mein Bruder ist Soldat,
3121Mein Schwesterchen ist todt.
3122Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;
3123Doch übernähm’ ich gern noch einmal alle Plage,
3124So lieb war mir das Kind.
∞Margarete.
3125Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.
3126Es war nach meines Vaters Tod geboren,
3127Die Mutter gaben wir verloren,
3128So elend wie sie damals lag,
3129Und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach.
3130Da konnte sie nun nicht d’ran denken
3131Das arme Würmchen selbst zu tränken,
3132Und so erzog ich’s ganz allein,
3133Mit Milch und Wasser; so ward’s mein.
3134Auf meinem Arm, in meinem Schoß
3135War’s freundlich, zappelte, ward groß.
∞Margarete.
3137Doch auch gewiß gar manche schwere Stunden.
3138Des Kleinen Wiege stand zu Nacht
3139An meinem Bett’, es durfte kaum sich regen,
3140War ich erwacht;
3141Bald musst’ ich’s tränken, bald es zu mir legen,
3142Bald, wenn’s nicht schwieg, vom Bett’ aufstehn,
3143Und tänzelnd in der Kammer auf und nieder gehn,
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3144Und früh am Tage schon am Waschtrog stehn;
3145Dann auf dem Markt und an dem Herde sorgen,
3146Und immer fort wie heut so morgen.
3147Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;
3148Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruh.
∞Gehn vorüber.
∞Marthe.
3153Sagt g’rad’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden?
3154Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?
∞Mephistopheles.
3155Das Sprichwort sagt: Ein eigner Herd,
3156Ein braves Weib, sind Gold und Perlen werth.
∞Gehn vorüber.
∞Faust.
3166Und du verzeihst die Freyheit, die ich nahm?
3167Was sich die Frechheit unterfangen,
3168Als du jüngst aus dem Dom gegangen.
∞Margarete.
3169Ich war bestürzt, mir war das nie geschehn;
3170Es konnte niemand von mir übels sagen.
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3171Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen
3172Was freches, unanständiges gesehn?
3173Es schien ihn gleich nur anzuwandeln,
3174Mit dieser Dirne g’rade hin zu handeln.
3175Gesteh’ ich’s doch! Ich wusste nicht was sich
3176Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte;
3177Allein gewiß, ich war recht bös’ auf mich,
3178Daß ich auf euch nicht böser werden konnte.
∞Sie pflückt eine Sternblume und
zupft die Blätter ab, eins nach dem andern.
∞Sie rupft und murmelt.
208
∞Margarete
∞fährt fort.
3183Liebt mich – Nicht – Liebt mich – Nicht –
∞Das letzte Blatt ausrupfend,
mit holder Freude.
3184Er liebt mich!
∞Faust.
3184Ja, mein Kind! Laß dieses Blumenwort
3185Dir Götter-Ausspruch seyn. Er liebt dich!
3186Verstehst du, was das heißt? Er liebt dich!
∞Er fasst ihre beyden
Hände.
∞Faust.
3188O schaudre nicht! Laß diesen Blick,
3189Laß diesen Händedruck dir sagen,
3190Was unaussprechlich ist:
3191Sich hinzugeben ganz und eine Wonne
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3192Zu fühlen, die ewig seyn muß!
3193Ewig! – Ihr Ende würde Verzweiflung seyn.
3194Nein, kein Ende! Kein Ende!
∞
Margarete drückt ihm die Hände,
macht sich los und läuft weg. Er steht einen Augenblick in Gedanken,
dann folgt er ihr.
∞Marthe.
3196Ich bät’ euch länger hier zu bleiben,
3197Allein es ist ein gar zu böser Ort.
3198Es ist als hätte niemand nichts zu treiben
3199Und nichts zu schaffen,
3200Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen,
3201Und man kommt in’s Gered’, wie man sich immer stellt.
3202Und unser Pärchen?