Am Brunnen.


Gretchen und Lieschen. mit Krügen.
Lieschen.
3544Hast nichts von Bärbelchen gehört?
Gretchen.
3545Kein Wort. Ich komm’ gar wenig unter Leute.
Lieschen.
Gewiß, Sibylle sagt’ mir’s heute!
Die hat sich endlich auch bethört.
Das ist das Vornehmthun!
Gretchen.
Wie so?
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Lieschen.
Es stinkt!
Sie füttert zwey, wenn sie nun ißt und trinkt.
Gretchen.
3550Ach!
Lieschen.
So ist’s ihr endlich recht ergangen.
Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!
Das war ein Spaziren,
Auf Dorf und Tanzplatz Führen,
3555Mußt’ überall die erste seyn,
Curtesirt’ ihr immer mit Pastetchen und Wein;
Bild’t sich was auf ihre Schönheit ein,
War doch so ehrlos sich nicht zu schämen
Geschenke von ihm anzunehmen.
3560War ein Gekos’ und ein Geschleck’;
Da ist denn auch das Blümchen weg
Gretchen.
Das arme Ding!
Lieschen.
Bedauerst sie noch gar!
Wenn unser eins am Spinnen war,
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Uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ;
3565Stand sie bey ihrem Buhlen süß,
Auf der Thürbank und im dunkeln Gang
Ward’ ihnen keine Stunde zu lang.
Da mag sie denn sich ducken nun,
Im Sünderhemdchen Kirchbuß’ thun!
Gretchen.
3570Er nimmt sie gewiß zu seiner Frau.
Lieschen.
Er wär’ ein Narr! Ein flinker Jung’
Hat anderwärts noch Luft genung.
Er ist auch fort.
Gretchen.
Das ist nicht schön!
Lieschen.
Kriegt sie ihn, soll’s ihr übel gehn.
3575Das Kränzel reißen die Buben ihr,
Und Häckerling streuen wir vor die Thür!
ab.
Gretchen.
nach Hause gehend.
Wie konnt’ ich sonst so tapfer schmählen,
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Sah ich ein armes Mägdlein fehlen!
Wie konnt’ ich über andrer Sünden
3580Nicht Worte g’nug der Zunge finden!
Wie schien mir’s schwarz, und schwärzt’s noch gar,
Mir’s immer doch nicht schwarz g’nug war,
Und segnet’ mich und that so groß,
Und bin nun selbst der Sünde bloß!
3585Doch – alles was dazu mich trieb,
3586Gott! war so gut! ach war so lieb!