Kaiserliche Pfalz.


Saal des Thrones.
Staatsrath in Erwartung des Kaisers.

Trompeten.
Hofgesinde aller Art prächtig gekleidet tritt vor.
Der Kaiser gelangt auf den Thron, zu seiner Rechten der Astrolog.
Kaiser.
4728Ich grüße die Getreuen, Lieben,
Versammelt aus der Näh’ und Weite; –
4730Den Weisen seh ich mir zur Seite,
Allein wo ist der Narr geblieben?
Junker.
Gleich hinter deiner Mantel-Schleppe
Stürzt’ er zusammen auf der Treppe,
Man trug hinweg das Fett-Gewicht,
4735Todt oder trunken? weiß man nicht.
257
Zweyter Junker.
Sogleich mit wunderbarer Schnelle
Drängt sich ein andrer an die Stelle.
Gar köstlich ist er aufgeputzt,
Doch fratzenhaft daß jeder stutzt;
4740Die Wache hält ihm an der Schwelle
Kreuzweis die Hellebarden vor –
Da ist er doch der kühne Thor!
Mephistopheles
am Throne knieend.
Was ist verwünscht und stets willkommen?
Was ist ersehnt und stets verjagt?
4745Was immerfort in Schutz genommen?
Was hart gescholten und verklagt?
Wen darfst du nicht herbeiberufen?
Wen höret jeder gern genannt?
Was naht sich deines Thrones Stufen?
4750Was hat sich selbst hinweggebannt?
Kaiser.
Für dießmal spare deine Worte!
Hier sind die Räthsel nicht am Orte,
Das ist die Sache dieser Herrn. –
Da löse du! das hört ich gern:
4755Mein alter Narr ging, fürcht’ ich, weit in’s Weite;
Nimm seinen Platz und komm an meine Seite.
Mephistopheles steigt hinauf und stellt sich zur Linken.
258
Gemurmel der Menge.
Ein neuer Narr – Zu neuer Pein –
Wo kommt er her – Wie kam er ein –
Der Alte fiel – der hat verthan –
4760Es war ein Faß – Nun ist’s ein Span –
Kaiser.
Und also ihr Getreuen, Lieben,
Willkommen aus der Näh’ und Ferne,
Ihr sammelt Euch mit günstigem Sterne,
Da droben ist uns Glück und Heil geschrieben.
4765Doch sagt warum in diesen Tagen,
Wo wir der Sorgen uns entschlagen,
Schönbärte mummenschänzlich tragen
Und heitres nur genießen wollten,
Warum wir uns rathschlagend quälen sollten?
4770Doch weil ihr meint es ging nicht anders an,
Geschehen ist’s, so sey’s gethan.
Canzler.
Die höchste Tugend, wie ein Heiligen-Schein,
Umgibt des Kaisers Haupt, nur er allein
Vermag sie gültig auszuüben;
4775Gerechtigkeit! – Was alle Menschen lieben,
Was alle fordern, wünschen, schwer entbehren,
Es liegt an ihm dem Volk es zu gewähren.
Doch ach! Was hilft dem Menschengeist Verstand,
Dem Herzen Güte, Willigkeit der Hand,
4780Wenn’s fieberhaft durchaus im Staate wüthet,
Und Uebel sich in Uebeln überbrütet.
259
Wer schaut hinab von diesem hohen Raum
In’s weite Reich, ihm scheint’s ein schwerer Traum,
Wo Mißgestalt in Mißgestalten schaltet,
4785Das Ungesetz gesetzlich überwaltet,
Und eine Welt des Irrthums sich entfaltet.
Der raubt sich Heerden, der ein Weib,
Kelch, Kreuz und Leuchter vom Altare,
Berühmt sich dessen manche Jahre
4790Mit heiler Haut, mit unverletztem Leib.
Jetzt drängen Kläger sich zur Halle,
Der Richter prunkt auf hohem Pfühl,
Indessen wogt, in grimmigem Schwalle,
Des Aufruhrs wachsendes Gewühl.
4795Der darf auf Schand und Frevel pochen
Der auf Mitschuldigste sich stützt,
Und: Schuldig! hörst du ausgesprochen
Wo Unschuld nur sich selber schützt.
So will sich alle Welt zerstückeln,
4800Vernichtigen was sich gebührt;
Wie soll sich da der Sinn entwickeln
Der einzig uns zum Rechten führt?
Zuletzt ein wohlgesinnter Mann
Neigt sich dem Schmeichler, dem Bestecher,
4805Ein Richter der nicht strafen kann
Gesellt sich endlich zum Verbrecher.
Ich mahlte schwarz, doch dichtern Flor
Zög’ ich dem Bilde lieber vor.
Pause.
260
Entschlüsse sind nicht zu vermeiden,
4810Wenn alle schädigen, alle leiden
Geht selbst die Majestät zu Raub.
Heermeister.
Wie tobt’s in diesen wilden Tagen
Ein jeder schlägt und wird erschlagen
Und für’s Commando bleibt man taub.
4815Der Bürger hinter seinen Mauern
Der Ritter auf dem Felsennest
Verschwuren sich uns auszudauern
Und halten ihre Kräfte fest.
Der Miethsoldat wird ungeduldig,
4820Mit Ungestüm verlangt er seinen Lohn,
Und wären wir ihm nichts mehr schuldig
Er liefe ganz und gar davon.
Verbiete wer was alle wollten,
Der hat in’s Wespennest gestört;
4825Das Reich das sie beschützen sollten,
Es liegt geplündert und verheert.
Man läßt ihr Toben wüthend hausen,
Schon ist die halbe Welt verthan;
Es sind noch Könige da draußen
4830Doch keiner denkt es ging ihn irgend an.
Schatzmeister.
Wer wird auf Bundsgenossen pochen!
Subsidien die man uns versprochen,
Wie Röhrenwasser, bleiben aus.
261
Auch Herr, in deinen weiten Staaten
4835An wen ist der Besitz gerathen?
Wohin man kommt da hält ein Neuer Haus
Und unabhängig will er leben,
Zusehen muß man wie er’s treibt;
Wir haben so viel Rechte hingegeben,
4840Daß uns auf nichts ein Recht mehr übrig bleibt.
Auch auf Parteyen, wie sie heißen,
Ist heut zu Tage kein Verlaß;
Sie mögen schelten oder preisen,
Gleichgültig wurden Lieb und Haß,
4845Die Ghibellinen wie die Guelfen
Verbergen sich um auszuruhn;
Wer jetzt will seinem Nachbar helfen?
Ein jeder hat für sich zu thun.
Die Goldespforten sind verrammelt,
4850Ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
Und unsre Cassen bleiben leer.
Marschalk.
Welch Unheil muß auch ich erfahren;
Wir wollen alle Tage sparen
Und brauchen alle Tage mehr.
4855Und täglich wächst mir neue Pein.
Den Köchen thut kein Mangel wehe;
Wildschweine, Hirsche, Hasen, Rehe,
Welschhühner, Hühner, Gäns’ und Enten,
Die Deputate, sichre Renten,
262
4860Sie gehen noch so ziemlich ein.
Jedoch am Ende fehlt’s an Wein.
Wenn sonst im Keller Faß an Faß sich häufte,
Der besten Berg- und Jahresläufte,
So schlürft unendliches Gesäufte
4865Der edlen Herrn den letzten Tropfen aus.
Der Stadtrath muß sein Lager auch verzapfen,
Man greift zu Humpen, greift zu Napfen.
Und unterm Tische liegt der Schmaus.
Nun soll ich zahlen, alle lohnen;
4870Der Jude wird mich nicht verschonen
Der schafft Anticipationen,
Die speisen Jahr um Jahr voraus.
Die Schweine kommen nicht zu Fette,
Verpfändet ist der Pfühl im Bette,
4875Und auf den Tisch kommt vorgegessen Brot.
Kaiser
nach einigem Nachdenken zu Mephistopheles.
Sag, weißt du Narr nicht auch noch eine Noth?
Mephistopheles.
Ich keineswegs. Den Glanz umher zu schauen,
Dich und die deinen! – Mangelte Vertrauen,
Wo Majestät unweigerlich gebeut?
4880Bereite Macht Feindseliges zerstreut,
Wo guter Wille, kräftig durch Verstand
Und Thätigkeit, vielfältige, zur Hand?
Was könnte da zum Unheil sich vereinen,
Zur Finsterniß wo solche Sterne scheinen?
263
Gemurmel.
4885Das ist ein Schalk – der’s wohl versteht –
Er lügt sich ein – So lang es geht –
Ich weiß schon – Was dahinter steckt –
Und was denn weiter? – Ein Project –
Mephistopheles.
Wo fehlt’s nicht irgendwo auf dieser Welt?
4890Dem dieß, dem das, hier aber fehlt das Geld.
Vom Estrich zwar ist es nicht aufzuraffen;
Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen.
In Bergesadern, Mauergründen
Ist Geld gemünzt und ungemünzt zu finden,
4895Und fragt ihr mich wer es zu Tage schafft:
Begabten Mann’s Natur- und Geisteskraft.
Canzler.
Natur und Geist – so spricht man nicht zu Christen.
Deßhalb verbrennt man Atheisten
Weil solche Reden höchst gefährlich sind.
4900Natur ist Sünde, Geist ist Teufel,
Sie hegen zwischen sich den Zweifel,
Ihr mißgestaltet Zwitterkind.
Uns nicht so! – Kaisers alten Landen
Sind zwey Geschlechter nur entstanden,
4905Sie stützen würdig seinen Thron:
Die Heiligen sind es und die Ritter;
Sie stehen jedem Ungewitter
Und nehmen Kirch’ und Staat zum Lohn.
264
Dem Pöbelsinn verworrener Geister
4910Entwickelt sich ein Widerstand,
Die Ketzer sind’s! die Hexenmeister!
Und sie verderben Stadt und Land.
Die willst du nun mit frechen Scherzen
In diese hohen Kreise schwärzen,
4915Ihr hegt euch an verderbtem Herzen,
Dem Narren sind sie nah verwandt.
Mephistopheles.
Daran erkenn’ ich den gelehrten Herrn!
Was ihr nicht tastet steht euch meilenfern,
Was ihr nicht faßt das fehlt euch ganz und gar,
4920Was ihr nicht rechnet, glaubt ihr sey nicht wahr,
Was ihr nicht wägt hat für euch kein Gewicht,
Was ihr nicht münzt das meint ihr gelte nicht.
Kaiser.
Dadurch sind unsre Mängel nicht erledigt,
Was willst du jetzt mit deiner Fastenpredigt?
4925Ich habe satt das ewige Wie und Wenn;
Es fehlt an Geld, nun gut so schaff’ es denn.
Mephistopheles.
Ich schaffe was ihr wollt und schaffe mehr;
Zwar ist es leicht, doch ist das Leichte schwer;
Es liegt schon da, doch um es zu erlangen
4930Das ist die Kunst, wer weiß es anzufangen?
Bedenkt doch nur: in jenen Schreckensläuften
Wo Menschenfluthen Land und Volk ersäuften,
265
Wie der und der, so sehr es ihn erschreckte,
Sein Liebstes da- und dortwohin versteckte.
4935So war’s von je in mächtiger Römer Zeit,
Und so fortan, bis gestern, ja bis heut.
Das alles liegt im Boden still begraben,
Der Boden ist des Kaisers, der soll’s haben.
Schatzmeister.
Für einen Narren spricht er gar nicht schlecht,
4940Das ist fürwahr des alten Kaisers Recht.
Canzler.
Der Satan legt euch goldgewirkte Schlingen:
Es geht nicht zu mit frommen rechten Dingen.
Marschalk.
Schafft’ er uns nur zu Hof willkommne Gaben,
Ich wollte gern ein bischen Unrecht haben.
Heermeister.
4945Der Narr ist klug, verspricht was jedem frommt,
Fragt der Soldat doch nicht woher es kommt.
Mephistopheles.
Und glaubt ihr euch vielleicht durch mich betrogen;
Hier steht ein Mann! da! fragt den Astrologen,
In Kreis’ um Kreise kennt er Stund und Haus,
4950So sage denn wie sieht’s am Himmel aus.
Gemurmel.
Zwey Schelme sind’s – Verstehn sich schon –
Narr und Phantast – So nah dem Thron –
Ein mattgesungen – alt Gedicht –
Der Thor bläst ein – der Weise spricht –
266
Astrolog
spricht, Mephistopheles bläst ein.
4955Die Sonne selbst sie ist ein lautres Gold,
Merkur der Bote dient um Gunst und Sold,
Frau Venus hat’s euch allen angethan,
So früh als spat blickt sie euch lieblich an;
Die keusche Luna launet grillenhaft,
4960Mars trifft er nicht, so dräut euch seine Kraft.
Und Jupiter bleibt doch der schönste Schein,
Saturn ist groß, dem Auge fern und klein.
Ihn als Metall verehren wir nicht sehr,
An Werth gering, doch im Gewichte schwer.
4965Ja! wenn zu Sol sich Luna fein gesellt,
Zum Silber Gold, dann ist es heitre Welt,
Das Uebrige ist alles zu erlangen,
Paläste, Gärten, Brüstlein, rothe Wangen,
Das alles schafft der hochgelahrte Mann
4970Der das vermag was unser keiner kann.
Kaiser.
Ich höre doppelt was er spricht
Und dennoch überzeugt’s mich nicht.
Gemurmel.
Was soll uns das – Gedroschner Spaß –
Calenderey – Chymisterey –
4975Das hört ich oft – Und falsch gehofft –
Und kommt er auch – So ist’s ein Gauch –
Mephistopheles.
Da stehen sie umher und staunen,
Vertrauen nicht dem hohen Fund,
267
Der eine faselt von Alraunen
4980Der andre von dem schwarzen Hund.
Was soll es daß der eine witzelt,
Ein andrer Zauberey verklagt,
Wenn ihm doch auch einmal die Sohle kitzelt
Wenn ihm der sichre Schritt versagt.
4985Ihr alle fühlt geheimes Wirken
Der ewig waltenden Natur,
Und aus den untersten Bezirken
Schmiegt sich herauf lebend’ge Spur.
Wenn es in allen Gliedern zwackt,
4990Wenn es unheimlich wird am Platz,
Nur gleich entschlossen grabt und hackt,
Da liegt der Spielmann, liegt der Schatz!
Gemurmel.
Mir liegt’s im Fuß wie Bleygewicht –
Mir krampft’s im Arme – das ist Gicht –
4995Mir krabbelt’s an der großen Zeh’ –
Mir thut der ganze Rücken weh –
Nach solchen Zeichen wäre hier
Das allerreichste Schatzrevier.
Kaiser.
Nur eilig! du entschlüpfst nicht wieder,
5000Erprobe deine Lügenschäume,
Und zeig’ uns gleich die edlen Räume.
Ich lege Schwerdt und Scepter nieder,
268
Und will mit eignen hohen Händen,
Wenn du nicht lügst, das Werk vollenden,
5005Dich, wenn du lügst, zur Hölle senden!
Mephistopheles.
Den Weg dahin wüßt’ allenfalls zu finden –
Doch kann ich nicht genug verkünden
Was überall besitzlos harrend liegt.
Der Bauer der die Furche pflügt
5010Hebt einen Goldtopf mit der Scholle,
Salpeter hofft er von der Leimenwand
Und findet golden-goldne Rolle,
Erschreckt, erfreut in kümmerlicher Hand.
Was für Gewölbe sind zu sprengen,
5015In welchen Klüften, welchen Gängen
Muß sich der Schatzbewußte drängen,
Zur Nachbarschaft der Unterwelt!
In weiten, allverwahrten Kellern,
Von goldnen Humpen, Schüsseln, Tellern,
5020Sieht er sich Reihen aufgestellt.
Pokale stehen aus Rubinen
Und will er deren sich bedienen
Daneben liegt uraltes Naß.
Doch – werdet ihr dem Kundigen glauben –
5025Verfault ist längst das Holz der Dauben,
Der Weinstein schuf dem Wein ein Faß,
Essenzen solcher edlen Weine,
Gold und Juwelen nicht alleine
269
Umhüllen sich mit Nacht und Graus.
5030Der Weise forscht hier unverdrossen;
Am Tag’ erkennen das sind Possen,
Im Finstern sind Mysterien zu Haus.
Kaiser.
Die laß ich dir! Was will das Düstre frommen?
Hat etwas Werth, es muß zu Tage kommen.
5035Wer kennt den Schelm in tiefer Nacht genau?
Schwarz sind die Kühe, so die Katzen grau.
Die Töpfe drunten, voll von Goldgewicht;
Zieh’ deinen Pflug, und ackre sie an’s Licht.
Mephistopheles.
Nimm Hack’ und Spaten, grabe selber,
5040Die Bauernarbeit macht dich groß,
Und eine Heerde goldner Kälber
Sie reißen sich vom Boden los.
Dann ohne Zaudern, mit Entzücken,
Kannst du dich selbst, wirst die Geliebte schmücken;
5045Ein leuchtend Farb- und Glanzgestein erhöht
Die Schönheit wie die Majestät.
Kaiser.
Nur gleich, nur gleich! Wie lange soll es währen!
Astrolog
(wie oben).
Herr mäßige solch dringendes Begehren,
Laß erst vorbei das bunte Freudenspiel;
5050Zerstreutes Wesen führt uns nicht zum Ziel.
270
Erst müssen wir in Fassung uns versühnen,
Das Untre durch das Obere verdienen.
Wer Gutes will der sey erst gut;
Wer Freude will besänftige sein Blut;
5055Wer Wein verlangt der keltre reife Trauben,
Wer Wunder hofft der stärke seinen Glauben.
Kaiser.
So sey die Zeit in Fröhlichkeit verthan!
Und ganz erwünscht kommt Aschermittwoch an.
Indessen feyern wir, auf jeden Fall,
5060Nur lustiger das wilde Carneval.
Trompeten, Exeunt.
Mephistopheles.
Wie sich Verdienst und Glück verketten
Das fällt den Thoren niemals ein;
Wenn sie den Stein der Weisen hätten
5064Der Weise mangelte dem Stein.

271
Weitläufiger Saal, mit Nebengemächern, verziert und aufgeputzt zur Mummenschanz.

Herold.
5065Denkt nicht ihr seyd in deutschen Gränzen
Von Teufels-, Narren- und Todtentänzen,
Ein heitres Fest erwartet euch.
Der Herr, auf seinen Römerzügen
Hat, sich zu Nutz, euch zum Vergnügen,
5070Die hohen Alpen überstiegen,
Gewonnen sich ein heitres Reich.
Der Kaiser, er, an heiligen Solen,
Erbat sich erst das Recht zur Macht,
Und als er ging die Krone sich zu holen,
5075Hat er uns auch die Kappe mitgebracht.
Nun sind wir alle neugeboren;
Ein jeder weltgewandte Mann
Zieht sie behaglich über Kopf und Ohren;
Sie ähnlet ihn verrückten Thoren,
5080Er ist darunter weise wie er kann.
Ich sehe schon wie sie sich schaaren,
Sich schwankend sondern, traulich paaren;
Zudringlich schließt sich Chor an Chor.
272
Herein, hinaus, nur unverdrossen;
5085Es bleibt doch endlich nach wie vor,
Mit ihren hunderttausend Possen,
Die Welt ein einzig großer Thor.
Gärtnerinnen.
Gesang begleitet von Mandolinen.
Euren Beyfall zu gewinnen
Schmückten wir uns diese Nacht,
5090Junge Florentinerinnen
Folgten deutschen Hofes Pracht;
Tragen wir in braunen Locken
Mancher heitern Blume Zier;
Seidenfäden, Seidenflocken
5095Spielen ihre Rolle hier.
Denn wir halten es verdienstlich,
Lobenswürdig ganz und gar,
Unsere Blumen, glänzend künstlich,
Blühen fort das ganze Jahr.
5100Allerlei gefärbten Schnitzeln
Ward symmetrisch Recht gethan;
Mögt ihr Stück für Stück bewitzeln,
Doch das Ganze zieht euch an.
Niedlich sind wir anzuschauen,
5105Gärtnerinnen und galant;
Denn das Naturell der Frauen
Ist so nah mit Kunst verwandt.
273
Herold.
Laßt die reichen Körbe sehen
Die ihr auf den Häupten traget,
5110Die sich bunt am Arme blähen,
Jeder wähle was behaget.
Eilig daß in Laub und Gängen
Sich ein Garten offenbare,
Würdig sind sie zu umdrängen
5115Krämerinnen wie die Waare.
Gärtnerinnen.
Feilschet nun am heitern Orte,
Doch kein Markten findet statt!
Und mit sinnig kurzem Worte
Wisse jeder was er hat.
Olivenzweig mit Früchten.
5120Keinen Blumenflor beneid’ ich,
Allen Widerstreit vermeid’ ich;
Mir ist’s gegen die Natur:
Bin ich doch das Mark der Lande,
Und, zum sichern Unterpfande,
5125Friedenszeichen jeder Flur,
Heute, hoff’ ich, soll mirs glücken
Würdig schönes Haupt zu schmücken.
Aehrenkranz
golden.
Ceres Gaben, euch zu putzen,
Werden hold und lieblich stehn:
5130Das Erwünschteste dem Nutzen
Sey als eure Zierde schön.
274
Phantasiekranz.
Bunte Blumen Malven ähnlich
Aus dem Moos ein Wunderflor!
Der Natur ist’s nicht gewöhnlich
5135Doch die Mode bringt’s hervor.
Phantasiestraus.
Meinen Namen euch zu sagen
Würde Theophrast nicht wagen,
Und doch hoff’ ich wo nicht allen,
Aber mancher zu gefallen,
5140Der ich mich wohl eignen möchte,
Wenn sie mich in’s Haar verflöchte,
Wenn sie sich entschließen könnte
Mir am Herzen Platz vergönnte.
Ausforderung.
Mögen bunte Phantasien
5145Für des Tages Mode blühen,
Wunder seltsam seyn gestaltet
Wie Natur sich nie entfaltet;
Grüne Stiele, goldne Glocken
Blickt hervor aus reichen Locken! –
5150Doch wir
Rosenknospen.
5150halten uns versteckt,
Glücklich wer uns frisch entdeckt.
Wenn der Sommer sich verkündet
Rosenknospe sich entzündet,
275
Wer mag solches Glück entbehren?
5155Das Versprechen, das Gewähren,
Das beherrscht, in Florens Reich,
Blick und Sinn und Herz zugleich.
Unter grünen Laubgängen putzen die Gärtnerinnen zierlich ihren Kram auf.
Gärtner.
Gesang begleitet von Theorben.
Blumen sehet ruhig sprießen,
Reizend euer Haupt umzieren,
5160Früchte wollen nicht verführen,
Kostend mag man sie genießen.
Bieten bräunliche Gesichter
Kirschen, Pfirschen, Königspflaumen,
Kauft! denn gegen Zung’ und Gaumen
5165Hält sich Auge schlecht als Richter.
Kommt von allerreifsten Früchten
Mit Geschmack und Lust zu speisen
Ueber Rosen läßt sich dichten,
In die Aepfel muß man beißen.
5170Sey’s erlaubt uns anzupaaren
Eurem reichen Jugendflor,
Und wir putzen reifer Waaren
Fülle nachbarlich empor.
276
Unter lustigen Gewinden
5175In geschmückter Lauben Bucht,
Alles ist zugleich zu finden:
Knospe, Blätter, Blume, Frucht.
Unter Wechselgesang, begleitet von Guitarren und Theorben, fahren beide Chöre fort ihre Waaren stufenweis in die Höhe zu schmücken und auszubieten.
Mutter und Tochter.
Mutter
Mädchen als du kamst an’s Licht
Schmückt ich dich im Häubchen,
5180Warst so lieblich von Gesicht,
Und so zart am Leibchen.
Dachte sie sogleich als Braut,
Gleich dem Reichsten angetraut,
Dachte dich als Weibchen.
5185Ach! Nun ist schon manches Jahr
Ungenützt verflogen,
Der Sponsirer bunte Schaar
Schnell vorbei gezogen;
Tanztest mit dem einen flink,
5190Gabst dem andern stillen Wink
Mit dem Ellenbogen.
277
Welches Fest man auch ersann,
Ward umsonst begangen,
Pfänderspiel und dritter Mann
5195Wollten nicht verfangen;
Heute sind die Narren los,
Liebchen öffne deinen Schoos,
Bleibt wohl einer hangen.
Gespielinnen jung und schön gesellen sich hinzu, ein vertrauliches Geplauder wird laut.
Fischer und Vogelsteller. Mit Netzen, Angel und Leimruthen, auch sonstigem Geräthe treten auf, mischen sich unter die schönen Kinder. Wechsel­seitige Versuche zu gewinnen, zu fangen, zu entgehen und fest zu halten geben zu den angenehmsten Dialogen Gele­genheit.
Holzhauer
treten ein ungestüm und ungeschlacht.
Nur Platz! nur Blöße!
5200Wir brauchen Räume,
Wir fällen Bäume
Die krachen, schlagen:
Und wenn wir tragen
Da gibt es Stöße.
278
5205Zu unserm Lobe
Bringt dieß in’s Reine;
Denn wirkten Grobe
Nicht auch im Lande,
Wie kämen Feine
5210Für sich zu Stande,
So sehr sie witzten?
Des seyd belehret;
Denn ihr erfröret
Wenn wir nicht schwitzten.
Pulcinelle
täppisch, fast läppisch.
5215Ihr seyd die Thoren
Gebückt geboren.
Wir sind die Klugen
Die nie was trugen;
Denn unsre Kappen
5220Jacken und Lappen
Sind leicht zu tragen.
Und mit Behagen
Wir immer müßig
Pantoffelfüßig,
5225Durch Markt und Haufen
Einher zu laufen.
Gaffend zu stehen,
Uns anzukrähen;
279
Auf solche Klänge
5230Durch Drang und Menge
Aalgleich zu schlüpfen,
Gesammt zu hüpfen,
Vereint zu toben.
Ihr mögt uns loben,
5235Ihr mögt uns schelten
Wir lassen’s gelten.
Parasiten
schmeichelnd-lüstern.
Ihr wackern Träger
Und eure Schwäger,
Die Kohlenbrenner,
5240Sind unsre Männer.
Denn alles Bücken,
Bejah’ndes Nicken,
Gewundne Phrasen,
Das Doppelblasen,
5245Das wärmt und kühlet
Wie’s einer fühlet,
Was könnt es frommen?
Es möchte Feuer
Selbst ungeheuer
5250Vom Himmel kommen,
Gäb’ es nicht Scheite
Und Kohlentrachten
Die Heerdesbreite
Zur Gluth entfachten.
280
5255Da brät’s und prudelt’s,
Da kocht’s und strudelt’s.
Der wahre Schmecker,
Der Tellerlecker,
Er riecht den Braten,
5260Er ahnet Fische;
Das regt zu Thaten
An Gönners Tische.
Trunkner
unbewußt.
Sey mir heute nichts zuwider!
Fühle mich so frank und frei;
5265Frische Luft und heitre Lieder
Holt’ ich selbst sie doch herbei.
Und so trink’ ich! trinke, trinke.
Stoßet an ihr! Tinke, Tinke!
Du dorthinten komm heran!
5270Stoßet an, so ist’s gethan.
Schrie mein Weibchen doch entrüstet,
Rümpfte diesen bunten Rock,
Und, wie sehr ich mich gebrüstet,
Schalt mich einen Maskenstock.
5275Doch ich trinke! Trinke, Trinke!
Angeklungen! Tinke, Tinke!
Maskenstöcke stoßet an!
Wenn es klingt so ist’s gethan.
Saget nicht daß ich verirrt bin,
5280Bin ich doch wo mir’s behagt.
Borgt der Wirth nicht, borgt die Wirthin,
Und am Ende kneipt die Magd.
281
Immer trink’ ich! Trinke, Trinke!
Auf ihr Andern! Tinke, Tinke!
5285Jeder jedem! so fortan!
Dünkt mich’s doch es sey gethan.
Wie und wo ich mich vergnüge
Mag es immerhin geschehn;
Laßt mich liegen wo ich liege,
5290Denn ich mag nicht länger stehn.
Chor.
Jeder Bruder trinke, trinke!
Toastet frisch ein Tinke, Tinke!
Sitzet fest auf Bank und Span,
Unterm Tisch Dem ist’s gethan.
Der Herold. Kündigt verschiedene Poeten an, Naturdichter, Hof- und Rit­tersänger, zärtliche so wie Enthusiasten. Im Gedräng von Mitwerbern aller Art, läßt keiner den Andern zum Vortrag kommen. Einer schleicht mit wenigen Worten vorüber.
Satyriker.
5295Wißt ihr was mich Poeten
Erst recht erfreuen sollte?
Dürft ich singen und reden
5298Was niemand hören wollte.
Die Nacht- und Grabdichter lassen sich entschuldigen, weil sie so eben im interessantesten Gespräch mit einem frischerstandenen Vampyren begriffen seyen; woraus eine neue Dichtart sich vielleicht entwickeln könnte; der Herold muß es gelten lassen und ruft indessen die griechische Mythologie hervor, die, selbst in moderner Maske, weder Charakter noch Gefälliges verliert.

282
Die Grazien.
Aglaia.
5299Anmuth bringen wir in’s Leben;
5300Leget Anmuth in das Geben.
Hegemone.
Leget Anmuth in’s Empfangen,
Lieblich ist’s den Wunsch erlangen.
Euphrosyne.
Und in stiller Tage Schranken
Höchst anmuthig sey das Danken.
Die Parzen.
Atropos.
5305Mich die älteste zum Spinnen
Hat man dießmal eingeladen;
Viel zu denken, viel zu sinnen
Gibt’s beim zarten Lebensfaden.
Daß er euch gelenk und weich sey
5310Wußt’ ich feinsten Flachs zu sichten;
Daß er glatt und schlank und gleich sey
Wird der kluge Finger schlichten.
283
Wolltet ihr bei Lust und Tänzen
Allzuüppig euch erweisen;
5315Denkt an dieses Fadens Gränzen,
Hütet euch! Er möchte reißen!
Klotho.
Wißt in diesen letzten Tagen
Ward die Scheere mir vertraut;
Denn man war von dem Betragen
5320Unsrer Alten nicht erbaut.
Zerrt unnützeste Gespinnste
Lange sie an Licht und Luft,
Hoffnung herrlichster Gewinnste
Schleppt sie schneidend zu der Gruft.
5325Doch auch ich im Jugend-Walten
Irrte mich schon hundertmal;
Heute mich im Zaum zu halten,
Scheere steckt im Futteral.
Und so bin ich gern gebunden,
5330Blicke freundlich diesem Ort;
Ihr in diesen freien Stunden
Schwärmt nur immer fort und fort.
Lachesis.
Mir, die ich allein verständig,
Blieb das Ordnen zugetheilt;
5335Meine Weise, stets lebendig,
Hat noch nie sich übereilt.
284
Fäden kommen, Fäden weifen,
Jeden lenk’ ich seine Bahn,
Keinen laß ich überschweifen,
5340Füg’ er sich im Kreis heran.
Könnt’ ich einmal mich vergessen
Wär’ es um die Welt mir bang,
Stunden zählen, Jahre messen
Und der Weber nimmt den Strang.
Herold.
5345Die jetzo kommen werdet ihr nicht kennen,
Wär’t ihr noch so gelehrt in alten Schriften;
Sie anzusehn die so viel Uebel stiften
Ihr würdet sie willkommne Gäste nennen.
Die Furien sind es, niemand wird uns glauben,
5350Hübsch, wohlgestaltet, freundlich, jung von Jahren;
Laßt euch mit ihnen ein, ihr sollt erfahren
Wie schlangenhaft verletzen solche Tauben.
Zwar sind sie tückisch, doch am heutigen Tage
Wo jeder Narr sich rühmet seiner Mängel,
5355Auch sie verlangen nicht den Ruhm als Engel,
Bekennen sich als Stadt- und Landesplage.
Alecto.
Was hilft es euch, ihr werdet uns vertrauen,
Denn wir sind hübsch und jung und Schmeichelkätzchen,
Hat einer unter euch ein Liebe-Schätzchen;
5360Wir werden ihm so lang’ die Ohren krauen,
285
Bis wir ihm sagen dürfen, Aug in Auge:
Daß sie zugleich auch dem und jenem winke,
Im Kopfe dumm, im Rücken krumm, und hinke,
Und, wenn sie seine Braut ist, gar nichts tauge.
5365So wissen wir die Braut auch zu bedrängen:
Es hat sogar der Freund, vor wenig Wochen,
Verächtliches von ihr zu der gesprochen! –
Versöhnt man sich so bleibt doch etwas hängen.
Megära.
Das ist nur Spaß! denn, sind sie erst verbunden,
5370Ich nehm’ es auf, und weiß, in allen Fällen,
Das schönste Glück durch Grille zu vergällen;
Der Mensch ist ungleich, ungleich sind die Stunden.
Und niemand hat Erwünschtes fest in Armen,
Der sich nicht nach Erwünschterem thörig sehnte,
5375Vom höchsten Glück, woran er sich gewöhnte;
Die Sonne flieht er, will den Frost erwarmen.
Mit diesem allen weiß ich zu gebahren,
Und führe her Asmodi den Getreuen,
Zu rechter Zeit Unseliges auszustreuen,
5380Verderbe so das Menschenvolk in Paaren.
Tisiphone.
Gift und Dolch statt böser Zungen
Misch’ ich, schärf’ ich dem Verräther;
Liebst du andre, früher, später
Hat Verderben dich durchdrungen.
286
5385Muß der Augenblicke Süßtes
Sich zu Gischt und Galle wandeln!
Hier kein Markten, hier kein Handeln
Wie er es beging’, er büßt es.
Singe keiner vom Vergeben!
5390Felsen klag’ ich meine Sache,
Echo! Horch! Erwiedert Rache;
Und wer wechselt soll nicht leben.
Herold.
Belieb’ es euch zur Seite wegzuweichen,
Denn was jetzt kommt ist nicht von eures Gleichen.
5395Ihr seht wie sich ein Berg herangedrängt,
Mit bunten Teppichen die Weichen stolz behängt,
Ein Haupt mit langen Zähnen, Schlangenrüssel,
Geheimnißvoll, doch zeig’ ich euch den Schlüssel.
Im Nacken sitzt ihm zierlich-zarte Frau,
5400Mit feinem Stäbchen lenkt sie ihn genau,
Die andre droben stehend herrlich-hehr
Umgibt ein Glanz der blendet mich zu sehr.
Zur Seite gehn gekettet edle Frauen,
Die eine bang, die andre froh zu schauen,
5405Die eine wünscht, die andre fühlt sich frei,
Verkünde jede wer sie sey.
Furcht.
Dunstige Fackeln, Lampen, Lichter,
Dämmern durch’s verworrne Fest,
Zwischen diese Truggesichter
5410Bannt mich ach die Kette fest.
287
Fort, ihr lächerlichen Lacher!
Euer Grinsen gibt Verdacht;
Alle meine Widersacher
Drängen mich in dieser Nacht.
5415Hier! ein Freund ist Feind geworden,
Seine Maske kenn’ ich schon;
Jener wollte mich ermorden,
Nun entdeckt schleicht er davon.
Ach wie gern in jeder Richtung,
5420Flöh’ ich zu der Welt hinaus;
Doch von drüben droht Vernichtung,
Hält mich zwischen Dunst und Graus.
Hoffnung.
Seyd gegrüßt ihr lieben Schwestern.
Habt ihr euch schon heut und gestern
5425In Vermummungen gefallen,
Weiß ich doch gewiß von allen
Morgen wollt ihr euch enthüllen.
Und wenn wir bei Fackelscheine
Uns nicht sonderlich behagen,
5430Werden wir in heitern Tagen,
Ganz nach unserm eignen Willen,
Bald gesellig, bald alleine
Frei durch schöne Fluren wandeln,
Nach Belieben ruhn und handeln
5435Und in sorgenfreiem Leben,
Nie entbehren, stets erstreben;
288
Ueberall willkommne Gäste
Treten wir getrost hinein:
Sicherlich es muß das Beste
5440Irgendwo zu finden seyn.
Klugheit.
Zwey der größten Menschenfeinde
Furcht und Hoffnung angekettet,
Halt’ ich ab von der Gemeinde;
Platz gemacht! ihr seyd gerettet.
5445Den lebendigen Colossen
Führ’ ich, seht ihr, thurmbeladen
Und er wandelt unverdrossen
Schritt vor Schritt auf steilen Pfaden.
Droben aber auf der Zinne
5450Jene Göttin mit behenden
Breiten Flügeln, zum Gewinne
Allerseits sich hinzuwenden.
Rings umgibt sie Glanz und Glorie
Leuchtend fern nach allen Seiten;
5455Und sie nennet sich Victorie,
Göttin aller Thätigkeiten.
Zoilo-Thersites.
Hu! Hu! da komm’ ich eben recht,
Ich schelt’ euch allzusammen schlecht!
Doch was ich mir zum Ziel ersah
5460Ist oben Frau Victoria,
289
Mit ihrem weißen Flügelpaar,
Sie dünkt sich wohl sie sey ein Aar,
Und wo sie sich nur hingewandt
Gehör’ ihr alles Volk und Land;
5465Doch, wo was Rühmliches gelingt
Es mich sogleich in Harnisch bringt.
Das Tiefe hoch, das Hohe tief,
Das Schiefe grad, das Grade schief,
Das ganz allein macht mich gesund,
5470So will ich’s auf dem Erdenrund.
Herold.
So treffe dich, du Lumpenhund,
Des frommen Stabes Meisterstreich,
Da krümm’ und winde dich sogleich! –
Wie sich die Doppelzwerggestalt
5475So schnell zum eklen Klumpen ballt! –
– Doch Wunder! – Klumpen wird zum Ey,
Das bläht sich auf und platzt entzwey.
Nun fällt ein Zwillingspaar heraus,
Die Otter und die Fledermaus;
5480Die eine fort im Staube kriecht,
Die andre schwarz zur Decke fliegt.
Sie eilen draußen zum Verein;
Da möcht’ ich nicht der Dritte seyn.
Gemurmel.
Frisch! dahinten tanzt man schon –
5485Nein! Ich wollt’ ich wär’ davon –
290
Fühlst du, wie uns das umflicht,
Das gespenstische Gezücht? –
Saus’t es mir doch über’s Haar –
Ward ich’s doch am Fuß gewahr –
5490Keiner ist von uns verletzt –
Alle doch in Furcht gesetzt –
Ganz verdorben ist der Spas –
Und die Bestien wollten das.
Herold.
Seit mir sind bei Maskeraden
5495Heroldspflichten aufgeladen,
Wach’ ich ernstlich an der Pforte,
Daß euch hier am lustigen Orte
Nichts Verderbliches erschleiche,
Weder wanke, weder weiche.
5500Doch ich fürchte durch die Fenster
Ziehen luftige Gespenster,
Und von Spuk und Zaubereyen
Wüßt’ ich euch nicht zu befreien,
Machte sich der Zwerg verdächtig,
5505Nun! dort hinten strömt es mächtig.
Die Bedeutung der Gestalten
Möcht’ ich amtsgemäß entfalten.
Aber was nicht zu begreifen
Wüßt’ ich auch nicht zu erklären,
5510Helfet alle mich belehren! –
Seht ihr’s durch die Menge schweifen? –
291
Vierbespannt ein prächtiger Wagen
Wird durch alles durchgetragen;
Doch er theilet nicht die Menge,
5515Nirgend seh’ ich ein Gedränge.
Farbig glitzert’s in der Ferne,
Irrend leuchten bunte Sterne,
Wie von magischer Laterne,
Schnaubt heran mit Sturmgewalt.
5520Platz gemacht! Mich schaudert’s!
Knabe
Wagenlenker.
5520Halt!
Rosse hemmet eure Flügel,
Fühlet den gewohnten Zügel,
Meistert euch wie ich euch meistre,
Rauschet hin wenn ich begeistre –
5525Diese Räume laßt uns ehren!
Schaut umher wie sie sich mehren
Die Bewundrer, Kreis um Kreise.
Herold auf! nach deiner Weise,
Ehe wir von euch entfliehen,
5530Uns zu schildern uns zu nennen;
Denn wir sind Allegorien
Und so solltest du uns kennen.
Herold.
Wüßte nicht dich zu benennen,
Eher könnt’ ich dich beschreiben.
Knabe Lenker.
5535So probir’s!
292
Herold.
5535Man muß gestehn:
Erstlich bist du jung und schön.
Halbwüchsiger Knabe bist du; doch die Frauen
Sie möchten dich ganz ausgewachsen schauen.
Du scheinest mir ein künftiger Sponsirer,
5540Recht so von Haus aus ein Verführer.
Knabe Lenker.
Das läßt sich hören! fahre fort,
Erfinde dir des Räthsels heitres Wort.
Herold.
Der Augen schwarzer Blitz, die Nacht der Locken
Erheitert von juwelnem Band!
5545Und welch ein zierliches Gewand
Fließt dir von Schultern zu den Socken,
Mit Purpursaum und Glitzertand!
Man könnte dich ein Mädchen schelten,
Doch würdest du, zu Wohl und Weh,
5550Auch jetzo schon bei Mädchen gelten,
Sie lehrten dich das A. B. C.
Knabe Lenker.
Und dieser der als Prachtgebilde
Hier auf dem Wagenthrone prangt?
Herold.
Er scheint ein König reich und milde,
5555Wohl dem der seine Gunst erlangt!
293
Er hat nichts weiter zu erstreben,
Wo’s irgend fehlte späht sein Blick,
Und seine reine Lust zu geben
Ist größer als Besitz und Glück.
Knabe Lenker.
5560Hiebei darfst du nicht stehen bleiben,
Du mußt ihn recht genau beschreiben.
Herold.
Das Würdige beschreibt sich nicht.
Doch das gesunde Mondgesicht,
Ein voller Mund, erblühte Wangen,
5565Die unterm Schmuck des Turbans prangen.
Im Faltenkleid ein reich Behagen!
Was soll ich von dem Anstand sagen?
Als Herrscher scheint er mir bekannt.
Knabe Lenker.
Plutus, des Reichthums Gott genannt,
5570Derselbe kommt in Prunk daher
Der hohe Kaiser wünscht ihn sehr.
Herold.
Sag’ von dir selber auch das Was und Wie?
Knabe Lenker.
Bin die Verschwendung, bin die Poesie;
Bin der Poet, der sich vollendet
5575Wenn er sein eigenst Gut verschwendet.
Auch ich bin unermeßlich reich
Und schätze mich dem Plutus gleich,
294
Beleb’ und schmück’ ihm Tanz und Schmaus,
Das was ihm fehlt das theil’ ich aus.
Herold.
5580Das Prahlen steht dir gar zu schön,
Doch lass’ uns deine Künste sehn.
Knabe Lenker.
Hier seht mich nur ein Schnippchen schlagen,
Schon glänzt’s und glitzert’s um den Wagen.
Da springt eine Perlenschnur hervor,
(immerfort umherschnippend)
5585Nehmt goldne Spange für Hals und Ohr;
Auch Kamm und Krönchen ohne Fehl,
In Ringen köstlichstes Juwel;
Auch Flämmchen spend’ ich dann und wann,
Erwartend wo es zünden kann.
Herold.
5590Wie greift und hascht die liebe Menge!
Fast kommt der Geber in’s Gedränge.
Kleinode schnippt er wie ein Traum
Und alles hascht im weiten Raum.
Doch da erleb’ ich neue Pfiffe,
5595Was einer noch so emsig griffe
Deß hat er wirklich schlechten Lohn,
Die Gabe flattert ihm davon.
Es lös’t sich auf das Perlenband,
Ihm krabbeln Käfer in der Hand,
5600Er wirft sie weg der arme Tropf,
Und sie umsummen ihm den Kopf.
295
Die andern statt solider Dinge
Erhaschen frevle Schmetterlinge.
Wie doch der Schelm so viel verheißt,
5605Und nur verleiht was golden gleißt!
Knabe Lenker.
Zwar Masken, merk’ ich, weißt du zu verkünden,
Allein der Schale Wesen zu ergründen
Sind Herolds Hofgeschäfte nicht;
Das fordert schärferes Gesicht.
5610Doch hüt’ ich mich vor jeder Fehde;
An dich, Gebieter, wend’ ich Frag und Rede.
(Zu Plutus gewendet)
Hast du mir nicht die Windesbraut
Des Viergespannes anvertraut?
Lenk’ ich nicht glücklich wie du leitest?
5615Bin ich nicht da wohin du deutest?
Und wußt’ ich nicht auf kühnen Schwingen
Für dich die Palme zu erringen?
Wie oft ich auch für dich gefochten,
Mir ist es jederzeit geglückt:
5620Wenn Lorbeer deine Stirne schmückt,
Hab’ ich ihn nicht mit Sinn und Hand geflochten?
Plutus.
Wenn’s nöthig ist daß ich dir Zeugniß leiste,
So sag’ ich gern: Bist Geist von meinem Geiste.
Du handelst stets nach meinem Sinn,
5625Bist reicher als ich selber bin.
296
Ich schätze, deinen Dienst zu lohnen,
Den grünen Zweig vor allen meinen Kronen.
Ein wahres Wort verkünd’ ich allen:
Mein lieber Sohn an dir hab’ ich Gefallen.
Knabe Lenker
zur Menge.
5630Die größten Gaben meiner Hand
Seht! hab’ ich rings umher gesandt.
Auf dem und jenem Kopfe glüht
Ein Flämmchen das ich angesprüht,
Von einem zu dem andern hüpft’s,
5635An diesem hält sich’s, dem entschlüpft’s,
Gar selten aber flammt’s empor,
Und leuchtet rasch in kurzem Flor;
Doch vielen, eh man’s noch erkannt,
Verlischt es, traurig ausgebrannt.
Weiber-Geklatsch.
5640Da droben auf dem Viergespann
Das ist gewiß ein Charlatan;
Gekauzt da hintendrauf Hanswurst,
Doch abgezehrt von Hunger und Durst,
Wie man ihn niemals noch erblickt;
5645Er fühlt wohl nicht wenn man ihn zwickt.
Der Abgemagerte.
Vom Leibe mir ekles Weibsgeschlecht!
Ich weiß dir komm ich niemals recht. –
Wie noch die Frau den Herd versah,
Da hieß ich Avaritia;
297
5650Da stand es gut um unser Haus:
Nur viel herein, und nichts hinaus!
Ich eiferte für Kist und Schrein;
Das sollte wohl gar ein Laster seyn.
Doch als in allerneusten Jahren
5655Das Weib nicht mehr gewohnt zu sparen,
Und wie ein jeder böser Zahler,
Weit mehr Begierden hat als Thaler,
Da bleibt dem Manne viel zu dulden,
Wo er nur hinsieht da sind Schulden.
5660Sie wendet’s, kann sie was erspulen,
An ihren Leib, an ihren Buhlen;
Auch speis’t sie besser, trinkt noch mehr
Mit der Sponsirer leidigem Heer;
Das steigert mir des Goldes Reiz:
5665Bin männlichen Geschlechts, der Geiz!
Hauptweib.
Mit Drachen mag der Drache geizen,
Ist’s doch am Ende Lug und Trug!
Er kommt die Männer aufzureizen,
Sie sind schon unbequem genug.
Weiber in Masse.
5670Der Strohmann! Reich ihm eine Schlappe!
Was will das Marterholz uns dräu’n?
Wir sollen seine Fratze scheun!
Die Drachen sind von Holz und Pappe,
Frisch an und dringt auf ihn hinein!
298
Herold.
5675Bei meinem Stabe! Ruh gehalten! –
Doch braucht es meiner Hülfe kaum,
Seht wie die grimmen Ungestalten
Bewegt im rasch gewonnenen Raum
Das Doppel-Flügelpaar entfalten.
5680Entrüstet schütteln sich der Drachen
Umschuppte, feuerspeiende Rachen;
Die Menge flieht, rein ist der Platz.
Plutus steigt vom Wagen.
Herold.
Er tritt herab, wie königlich!
Er winkt, die Drachen rühren sich,
5685Die Kiste haben sie vom Wagen
Mit Gold und Geiz herangetragen,
Sie steht zu seinen Füßen da:
Ein Wunder ist es wie’s geschah.
Plutus
zum Lenker.
Nun bist du los der allzulästigen Schwere,
5690Bist frei und frank, nun frisch zu deiner Sphäre!
Hier ist sie nicht! Verworren, schäckig, wild
Umdrängt uns hier ein fratzenhaft Gebild.
Nur wo du klar in’s holde Klare schaust,
Dir angehörst und dir allein vertraust,
5695Dorthin wo Schönes, Gutes nur gefällt,
Zur Einsamkeit! – Da schaffe deine Welt.
299
Knabe Lenker.
So acht’ ich mich als werthen Abgesandten,
So lieb’ ich dich als nächsten Anverwandten.
Wo du verweilst ist Fülle, wo ich bin
5700Fühlt jeder sich im herrlichsten Gewinn;
Auch schwankt er oft im widersinnigen Leben:
Soll er sich dir? soll er sich mir ergeben?
Die Deinen freilich können müßig ruhn,
Doch wer mir folgt hat immer was zu thun.
5705Nicht ins Geheim vollführ’ ich meine Thaten
Ich athme nur und schon bin ich verrathen.
So lebe wohl! Du gönnst mir ja mein Glück,
Doch lisple leis’ und gleich bin ich zurück.
(Ab wie er kam.)
Plutus.
Nun ist es Zeit die Schätze zu entfesseln!
5710Die Schlösser treff’ ich mit des Herolds Ruthe.
Es thut sich auf! schaut her! in ehrnen Kesseln
Entwickelt sich’s und wallt von goldnem Blute,
Zunächst der Schmuck von Kronen, Ketten, Ringen;
Es schwillt und droht ihn schmelzend zu verschlingen.
Wechselgeschrei der Menge.
5715Seht hier, o hin! wie’s reichlich quillt,
Die Kiste bis zum Rande füllt. –
Gefäße goldne schmelzen sich,
Gemünzte Rollen wälzen sich. –
Dukaten hüpfen wie geprägt,
5720O wie mir das den Busen regt –
300
Wie schau ich alle mein Begehr!
Da kollern sie am Boden her. –
Man bietet’s euch, benutzt’s nur gleich
Und bückt euch nur und werdet reich. –
5725Wir andern, rüstig wie der Blitz,
Wir nehmen den Koffer in Besitz.
Herold.
Was soll’s, ihr Thoren? soll mir das?
Es ist ja nur ein Maskenspaß.
Heut Abend wird nicht mehr begehrt;
5730Glaubt ihr man geb euch Gold und Werth?
Sind doch für euch in diesem Spiel
Selbst Rechenpfennige zu viel.
Ihr Täppischen! ein artiger Schein
Soll gleich die plumpe Wahrheit seyn.
5735Was soll euch Wahrheit? – Dumpfen Wahn
Packt ihr an allen Zipfeln an. –
Vermummter Plutus, Maskenheld,
Schlag dieses Volk mir aus dem Feld.
Plutus.
Dein Stab ist wohl dazu bereit,
5740Verleih’ ihn mir auf kurze Zeit. –
Ich tauch’ ihn rasch in Sud und Gluth. –
Nun! Masken seyd auf eurer Hut.
Wie’s blitzt und platzt, in Funken sprüht!
Der Stab schon ist er angeglüht.
5745Wer sich zu nah herangedrängt
Ist unbarmherzig gleich versengt –
Jetzt fang’ ich meinen Umgang an.
301
Geschrei und Gedräng.
O weh! Es ist um uns gethan. –
Entfliehe wer entfliehen kann! –
5750Zurück, zurück du Hintermann! –
Mir sprüht es heiß in’s Angesicht. –
Mich drückt des glühenden Stabs Gewicht –
Verloren sind wir all und all. –
Zurück, zurück du Maskenschwall!
5755Zurück, zurück, unsinniger Hauf –
O hätt’ ich Flügel flög ich auf. –
Plutus.
Schon ist der Kreis zurückgedrängt
Und niemand glaub’ ich ist versengt,
Die Menge weicht;
5760Sie ist verscheucht. –
Doch solcher Ordnung Unterpfand
Zieh’ ich ein unsichtbares Band.
Herold.
Du hast ein herrlich Werk vollbracht,
Wie dank’ ich deiner klugen Macht!
Plutus.
5765Noch braucht es, edler Freund, Geduld:
Es droht noch mancherlei Tumult.
Geiz.
So kann man doch, wenn es beliebt,
Vergnüglich diesen Kreis beschauen;
Denn immerfort sind vornen an die Frauen
5770Wo’s was zu gaffen, was zu naschen gibt.
302
Noch bin ich nicht so völlig eingerostet!
Ein schönes Weib ist immer schön;
Und heute weil es mich nichts kostet,
So wollen wir getrost sponsiren gehn.
5775Doch weil am überfüllten Orte
Nicht jedem Ohr vernehmlich alle Worte,
Versuch’ ich klug und hoff’ es soll mir glücken,
Mich pantominisch deutlich auszudrücken.
Hand, Fuß, Geberde reicht mir da nicht hin,
5780Da muß ich mich um einen Schwank bemühn.
Wie feuchten Thon will ich das Gold behandeln,
Denn dieß Metall läßt sich in alles wandeln.
Herold.
Was fängt der an der mag’re Thor!
Hat so ein Hungermann Humor?
5785Er knetet alles Gold zu Teig,
Ihm wird es untern Händen weich,
Wie er es drückt und wie es ballt
Bleibt’s immer doch nur ungestalt.
Er wendet sich zu den Weibern dort,
5790Sie schreien alle, möchten fort,
Geberden sich gar widerwärtig;
Der Schalk erweis’t sich übelfertig.
Ich fürchte daß er sich ergetzt
Wenn er die Sittlichkeit verletzt.
5795Dazu darf ich nicht schweigsam bleiben,
Gib meinen Stab, ihn zu vertreiben.
303
Plutus.
Er ahnet nicht was uns von außen droht;
Lass’ ihn die Narrentheidung treiben,
Ihm wird kein Raum für seine Possen bleiben;
5800Gesetz ist mächtig, mächtiger ist die Noth.
Getümmel und Gesang.
Das wilde Heer es kommt zumal
Von Bergeshöh’ und Waldes Thal,
Unwiderstehlich schreitet’s an:
Sie feyern ihren großen Pan.
5805Sie wissen doch was keiner weiß
Und drängen in den leeren Kreis.
Plutus.
Ich kenn’ euch wohl und euren großen Pan!
Zusammen habt ihr kühnen Schritt gethan.
Ich weiß recht gut was nicht ein jeder weiß,
5810Und öffne schuldig diesen engen Kreis.
Mag sie ein gut Geschick begleiten!
Das wunderlichste kann geschehn;
Sie wissen nicht wohin sie schreiten,
Sie haben sich nicht vorgesehn.
Wildgesang.
5815Geputztes Volk du, Flitterschau!
Sie kommen roh, sie kommen rauh,
In hohem Sprung in raschem Lauf,
Sie treten derb und tüchtig auf.
304
Faunen.
Die Faunenschaar
5820Im lustigen Tanz,
Den Eichenkranz
Im krausen Haar,
Ein feines zugespitztes Ohr
Dringt an dem Lockenkopf hervor,
5825Ein stumpfes Näschen, ein breit Gesicht
Das schadet alles bei Frauen nicht.
Dem Faun wenn er die Patsche reicht
Versagt die Schönste den Tanz nicht leicht.
Satyr.
Der Satyr hüpft nun hinterdrein
5830Mit Ziegenfuß und dürrem Bein,
Ihm sollen sie mager und sehnig seyn,
Und gemsenartig auf Bergeshöhn
Belustigt er sich umherzusehn.
In Freiheitsluft erquickt alsdann
5835Verhöhnt er Kind und Weib und Mann,
Die tief in Thales Dampf und Rauch
Behaglich meinen sie lebten auch,
Da ihm doch rein und ungestört
Die Welt dort oben allein gehört.
Gnomen.
5840Da trippelt ein die kleine Schaar,
Sie hält nicht gern sich Paar und Paar;
Im moosigen Kleid mit Lämplein hell
Bewegt sichs durcheinander schnell,
305
Wo jedes für sich selber schafft,
5845Wie Leuchtameisen wimmelhaft;
Und wuselt emsig hin und her,
Beschäftigt in die Kreuz und Quer.
Den frommen Gütchen nah verwandt,
Als Felschirurgen wohl bekannt;
5850Die hohen Berge schröpfen wir,
Aus vollen Adern schöpfen wir;
Metalle stürzen wir zu Hauf,
Mit Gruß getrost: Glück auf! Glück auf!
Das ist von Grund aus wohl gemeint:
5855Wir sind der guten Menschen Freund.
Doch bringen wir das Gold zu Tag
Damit man stehlen und kuppeln mag,
Nicht Eisen fehle dem stolzen Mann,
Der allgemeinen Mord ersann.
5860Und wer die drey Gebot veracht’t
Sich auch nichts aus den andern macht.
Das alles ist nicht unsre Schuld,
Drum habt sofort wie wir Geduld.
Riesen.
Die wilden Männer sind’s genannt,
5865Am Harzgebirge wohl bekannt,
Natürlich nackt in aller Kraft,
Sie kommen sämmtlich riesenhaft.
Den Fichtenstamm in rechter Hand
Und um den Leib ein wulstig Band,
5870Den derbsten Schurz von Zweig und Blatt,
Leibwache wie der Papst nicht hat.
306
Nymphen im Chor.
Sie umschließen den großen Pan.
Auch kommt er an! –
Das All der Welt
Wird vorgestellt
5875Im großen Pan.
Ihr heitersten umgebet ihn,
Im Gaukeltanz umschwebet ihn,
Denn weil er ernst und gut dabei,
So will er daß man fröhlich sey.
5880Auch unterm blauen Wölbedach
Verhielt er sich beständig wach,
Doch rieseln ihm die Bäche zu,
Und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh.
Und wenn er zu Mittage schläft
5885Sich nicht das Blatt am Zweige regt;
Gesunder Pflanzen Balsamduft
Erfüllt die schweigsam stille Luft;
Die Nymphe darf nicht munter seyn
Und wo sie stand da schläft sie ein.
5890Wenn unerwartet mit Gewalt
Dann aber seine Stimm erschallt,
Wie Blitzes Knattern, Meergebraus,
Dann niemand weiß wo ein noch aus,
Zerstreut sich tapfres Heer im Feld
5895Und im Getümmel bebt der Held.
So ehre dem, dem Ehre gebührt
Und Heil ihm der uns hergeführt!
307
Deputation der Gnomen.
An den großen Pan.
Wenn das glänzend reiche Gute
Fadenweis durch Klüfte streicht,
5900Nur der klugen Wünschelruthe
Seine Labyrinthe zeigt,
Wölben wir in dunklen Grüften
Troglodytisch unser Haus,
Und an reinen Tageslüften,
5905Theilst du Schätze gnädig aus.
Nun entdecken wir hieneben
Eine Quelle wunderbar,
Die bequem verspricht zu geben
Was kaum zu erreichen war.
5910Dieß vermagst du zu vollenden,
Nimm es Herr in deine Hut:
Jeder Schatz in deinen Händen
Kommt der ganzen Welt zu gut.
Plutus
zum Herold.
Wir müssen uns im hohen Sinne fassen
5915Und was geschieht getrost geschehen lassen,
Du bist ja sonst des stärksten Muthes voll.
Nun wird sich gleich ein Gräulichstes eräugnen,
Hartnäckig wird es Welt und Nachwelt läugnen:
Du schreib’ es treulich in dein Protokoll.
308
Herold
(den Stab anfassend, welchen Plutus in der Hand behält).
5920Die Zwerge führen den großen Pan
Zur Feuerquelle sacht heran,
Sie siedet auf vom tiefsten Schlund,
Dann sinkt sie wieder hinab zum Grund,
Und finster steht der offne Mund;
5925Wallt wieder auf in Gluth und Sud,
Der große Pan steht wohlgemuth
Freut sich des wundersamen Dings.
Und Perlenschaum sprüht recht und links,
Wie mag er solchen Wesen traun?
5930Er bückt sich tief hinein zu schaun. –
Nun aber fällt sein Bart hinein! –
Wer mag das glatte Kinn wohl seyn?
Die Hand verbirgt es unserm Blick. –
Nun folgt ein großes Ungeschick,
5935Der Bart entflammt und fliegt zurück,
Entzündet Kranz und Haupt und Brust,
Zu Leiden wandelt sich die Lust. –
Zu löschen läuft die Schaar herbei,
Doch keiner bleibt von Flammen frei,
5940Und wie es patscht und wie es schlägt
Wird neues Flammen aufgeregt;
Verflochten in das Element
Ein ganzer Maskenklump verbrennt.
Was aber hör’ ich wird uns kund
5945Von Ohr zu Ohr, von Mund zu Mund!
309
O ewig unglücksel’ge Nacht
Was hast du uns für Leid gebracht!
Verkünden wird der nächste Tag
Was niemand willig hören mag;
5950Doch hör’ ich aller Orten schrein
„Der Kaiser,“ leidet solche Pein.
O wäre doch ein andres wahr!
Der Kaiser brennt und seine Schaar.
Sie sey verflucht die ihn verführt,
5955In harzig Reis sich eingeschnürt.
Zu toben her mit Brüll-Gesang
Zu allerseitigem Untergang.
O Jugend, Jugend wirst du nie
Der Freude reines Maß bezirken?
5960O Hoheit, Hoheit wirst du nie
Vernünftig wie allmächtig wirken?
Schon geht der Wald in Flammen auf,
Sie züngeln leckend spitz hinauf,
Zum Holzverschränkten Deckenband,
5965Uns droht ein allgemeiner Brand.
Des Jammers Maß ist übervoll,
Ich weiß nicht wer uns retten soll.
Ein Aschenhaufen einer Nacht
Liegt morgen reiche Kaiserpracht.
Plutus.
5970Schrecken ist genug verbreitet,
Hülfe sey nun eingeleitet! –
310
Schlage heil’gen Stabs Gewalt,
Daß der Boden bebt und schallt!
Du geräumig weite Luft
5975Fülle dich mit kühlem Duft.
Zieht heran, umherzuschweifen,
Nebeldünste, schwangre Streifen,
Deckt ein flammendes Gewühl;
Rieselt, säuselt, Wölkchen kräuselt,
5980Schlüpfet wallend, leise dämpfet,
Löschend überall bekämpfet,
Ihr, die lindernden, die feuchten,
Wandelt in ein Wetterleuchten
Solcher eitlen Flamme Spiel. –
5985Drohen Geister uns zu schädigen
5986Soll sich die Magie bethätigen.

311
Lustgarten.
Morgensonne.
Der Kaiser, Hofleute. Faust, Mephisto­pheles, anständig, nicht auffallend, nach Sitte gekleidet; beide knieen.
Faust.
5987Verzeihst du, Herr, das Flammengaukelspiel?
Kaiser
zum Aufstehn winkend.
Ich wünsche mir dergleichen Scherze viel. –
Auf einmal sah ich mich in glüh’nder Sphäre,
5990Es schien mir fast als ob ich Pluto wäre.
Aus Nacht und Kohlen lag ein Felsengrund,
Von Flämmchen glühend. Dem und jenem Schlund
Aufwirbelten viel tausend wilde Flammen
Und flackerten in Ein Gewölb zusammen.
5995Zum höchsten Dome züngelt es empor,
Der immer ward und immer sich verlor.
Durch fernen Raum gewundner Feuersäulen
Sah ich bewegt der Völker lange Zeilen,
Sie drängten sich im weiten Kreis heran,
6000Und huldigten, wie sie es stets gethan.
312
Von meinem Hof’ erkannt’ ich ein und andern,
Ich schien ein Fürst von tausend Salamandern.
Mephistopheles.
Das bist du, Herr! weil jedes Element
Die Majestät als unbedingt erkennt.
6005Gehorsam Feuer hast du nun erprobt;
Wirf dich in’s Meer wo es am wildsten tobt,
Und kaum betrittst du perlenreichen Grund,
So bildet wallend sich ein herrlich Rund;
Siehst auf und ab lichtgrüne schwanke Wellen,
6010Mit Purpursaum, zur schönsten Wohnung schwellen,
Um dich, den Mittelpunct. Bei jedem Schritt,
Wohin du gehst, gehn die Palläste mit.
Die Wände selbst erfreuen sich des Lebens,
Pfeilschnellen Wimmlens, Hin- und Widerstrebens.
6015Meerwunder drängen sich zum neuen milden Schein,
Sie schießen an, und keines darf herein.
Da spielen farbig goldbeschuppte Drachen,
Der Hayfisch klafft, du lachst ihm in den Rachen.
Wie sich auch jetzt der Hof um dich entzückt,
6020Hast du doch nie ein solch Gedräng erblickt.
Doch bleibst du nicht vom Lieblichsten geschieden:
Es nahen sich neugierige Nereiden
Der prächt’gen Wohnung in der ew’gen Frische,
Die jüngsten scheu und lüstern wie die Fische,
6025Die spätern klug. Schon wird es Thetis kund,
Dem zweyten Peleus reicht sie Hand und Mund. –
Den Sitz alsdann auf des Olymps Revier. . .
313
Kaiser.
Die luft’gen Räume die erlaß ich dir:
Noch früh genug besteigt man jenen Thron.
Mephistopheles.
6030Und, höchster Herr! Die Erde hast du schon.
Kaiser.
Welch gut Geschick hat dich hieher gebracht?
Unmittelbar aus Tausend Einer Nacht.
Gleichst du an Fruchtbarkeit Scheherazaden,
Versichr’ ich dich der höchsten aller Gnaden.
6035Sey stets bereit, wenn eure Tageswelt,
6036Wie’s oft geschieht, mir widerlichst mißfällt.
(Ist fortzusetzen.)