∞Der Nachbarin Haus.
∞Marthe
∞allein.
2865Gott verzeih’s meinem lieben Mann,
2866Er hat an mir nicht wohl gethan!
2867Geht da stracks in die Welt hinein,
2868Und läßt mich auf dem Stroh allein.
2869Thät’ ihn doch wahrlich nicht betrüben,
2870Thät’ ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.
∞Sie weint.
2871Vielleicht ist er gar todt! – O Pein! – –
2872Hätt’ ich nur einen Todtenschein!
∞Margarete kommt.
∞Margarete.
2874Fast sinken mir die Kniee nieder!
2875Da find’ ich so ein Kästchen wieder
2876In meinem Schrein, von Ebenholz,
2877Und Sachen herrlich ganz und gar,
2878Weit reicher als das erste war.
∞Marthe.
2885Komm du nur oft zu mir herüber,
2886Und leg’ den Schmuck hier heimlich an;
2887Spazier’ ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber,
2888Wir haben unsre Freude dran;
2889Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Fest,
2890Wo man’s so nach und nach den Leuten sehen läßt.
2891Ein Kettchen erst, die Perle dann in’s Ohr;
2892Die Mutter sieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was
vor
∞Margarete.
2893Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?
2894Es geht nicht zu mit rechten Dingen!
∞Es klopft.
150
∞Mephistopheles tritt auf.
∞Mephistopheles.
2897Bin so frei g’rad’ herein zu treten,
2898Muß bei den Frauen Verzeihn erbeten.
∞Tritt ehrerbietig vor
Margareten zurück.
2899Wollte nach Frau Marthe Schwerdtlein fragen!
∞Mephistopheles
∞leise zu ihr.
2901Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;
2902Sie hat da gar vornehmen Besuch.
2903Verzeiht die Freiheit die ich genommen,
2904Will Nachmittage wieder kommen.
∞Margarete.
2907Ich bin ein armes junges Blut;
2908Ach Gott! der Herr ist gar zu gut:
2909Schmuck und Geschmeide sind nicht mein.
∞Mephistopheles.
2910Ach, es ist nicht der Schmuck allein;
2911Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!
2912Wie freut mich’s daß ich bleiben darf.
∞Mephistopheles.
2914Ich wollt’ ich hätt’ eine frohere Mähr’!
2915Ich hoffe sie läßt mich’s drum nicht büßen:
2916Ihr Mann ist todt und läßt sie grüßen.
∞Mephistopheles.
2925Er liegt in Padua begraben
2926Bei’m heiligen Antonius,
2927An einer wohlgeweihten Stätte
2928Zum ewig kühlen Ruhebette.
∞Mephistopheles.
2930Ja, eine Bitte, groß und schwer;
2931Laß sie doch ja für ihn dreyhundert Messen singen!
2932Im übrigen sind meine Taschen leer.
∞Marthe.
2933Was! Nicht ein Schaustück? Kein Geschmeid’?
2934Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels
spart,
2935Zum Angedenken aufbewahrt,
2936Und lieber hungert, lieber bettelt!
∞Mephistopheles.
2937Madam, es thut mir herzlich leid;
2938Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.
2939Auch er bereute seine Fehler sehr,
2940Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr.
∞Margarete.
2941Ach! daß die Menschen so unglücklich sind!
2942Gewiß ich will für ihn manch Requiem noch beten.
∞Mephistopheles.
2943Ihr wäret werth, gleich in die Eh’ zu treten:
2944Ihr seyd ein liebenswürdig Kind.
∞Mephistopheles.
2946Ist’s nicht ein Mann, sey’s derweil’ ein Galan.
2947’s ist eine der größten Himmelsgaben,
2948So ein lieb Ding im Arm zu haben.
∞Mephistopheles.
2951Ich stand an seinem Sterbebette,
2952Es war was besser als von Mist,
2953Von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ,
2954Und fand daß er weit mehr noch auf der Zeche hätte.
2955Wie, rief er, muß ich mich von Grund aus hassen,
2956So mein Gewerb, mein Weib so zu verlassen!
2957Ach! die Erinnrung tödtet mich.
2958Vergäb’ sie mir nur noch in diesem Leben! –
∞Mephistopheles.
2962Er fabelte gewiß in letzten Zügen,
2963Wenn ich nur halb ein Kenner bin.
2964Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu
gaffen,
2965Erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen,
2966Und Brot im allerweit’sten Sinn,
2967Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden essen.
∞Mephistopheles.
2970Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.
2971Er sprach: Als ich nun weg von Malta ging,
2972Da betet’ ich für Frau und Kinder brünstig;
2973Uns war denn auch der Himmel günstig,
2974Daß unser Schiff ein Türkisch Fahrzeug fing,
2975Das einen Schatz des großen Sultans führte.
2976Da ward der Tapferkeit ihr Lohn,
2977Und ich empfing denn auch, wie sich’s gebührte,
2978Mein wohlgemess’nes Theil davon.
∞Mephistopheles.
2980Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.
2981Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an,
2982Als er in Napel fremd umher spazierte;
2983Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan,
2984Daß er’s bis an sein selig Ende spürte.
∞Marthe.
2985Der Schelm! der Dieb an seinen Kindern!
2986Auch alles Elend, alle Noth
2987Konnt’ nicht sein schändlich Leben hindern!
∞Mephistopheles.
2988Ja seht! dafür ist er nun todt.
2989Wär’ ich nun jetzt an eurem Platze,
2990Betraurt’ ich ihn ein züchtig Jahr.
2991Visirte dann unterweil’ nach einem neuen Schatze.
∞Marthe.
2992Ach Gott! wie doch mein erster war,
2993Find’ ich nicht leicht auf dieser Welt den andern!
2994Es konnte kaum ein herziger Närrchen seyn.
2995Er liebte nur das allzuviele Wandern;
2996Und fremde Weiber, und fremden Wein,
2997Und das verfluchte Würfelspiel.
∞Mephistopheles.
2998Nun, nun, so konnt’ es gehn und stehen,
2999Wenn er euch ungefähr so viel
3000Von seiner Seite nachgesehen.
3001Ich schwör’ euch zu, mit dem Beding
3002Wechselt’ ich selbst mit euch den Ring!
∞Mephistopheles
∞für sich.
3004Nun mach’ ich mich bei Zeiten fort!
3005Die hielte wohl den Teufel selbst bei’m Wort.
∞zu Gretchen
3006Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?
∞Marthe.
3008O sagt mir doch geschwind!
3009Ich möchte gern ein Zeugniß haben,
3010Wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben.
3011Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen,
3012Möcht’ ihn auch todt im Wochenblättchen lesen.
∞Mephistopheles.
3013Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund
3014Wird allerwegs die Wahrheit kund;
3015Habe noch gar einen feinen Gesellen,
3016Den will ich euch vor den Richter stellen.
3017Ich bring’ ihn her.