Walpurgisnacht.


Harzgebirg.
Gegend von Schirke und Elend.
Faust. Mephistopheles.
Mephistopheles.
3835 Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?
Ich wünschte mir den allerderbsten Bock.
Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele.
Faust.
So lang’ ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle,
Genügt mir dieser Knotenstock.
3840Was hilft’s daß man den Weg verkürzt! –
Im Labyrinth der Thäler hinzuschleichen,
Dann diesen Felsen zu ersteigen,
Von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt,
Das ist die Lust, die solche Pfade würzt!
3845Der Frühling webt schon in den Birken
Und selbst die Fichte fühlt ihn schon,
Sollt’ er nicht auch auf unsre Glieder wirken?
228
Mephistopheles.
Fürwahr ich spüre nichts davon!
Mir ist es winterlich im Leibe,
3850Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn.
Wie traurig steigt die unvollkommne Scheibe
Des rothen Monds mit später Gluth heran!
Und leuchtet schlecht, daß man bey jedem Schritte,
Vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!
3855Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!
Dort seh’ ich eins, das eben lustig brennt.
He da! mein Freund! darf ich dich zu uns fodern?
Was willst du so vergebens lodern?
Sey doch so gut und leucht’ uns da hinauf!
Irrlicht.
3860Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, soll es mir gelingen
Mein leichtes Naturell zu zwingen,
Nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf.
Mephistopheles.
Ey! Ey! er denkt’s den Menschen nachzuahmen.
Geh’ er nur grad’ in’s Teufels Nahmen!
3865Sonst blas’ ich ihm sein Flacker-Leben aus.
Irrlicht.
Ich merke wohl, ihr seyd der Herr vom Haus,
Und will mich gern nach euch bequemen.
Allein bedenkt! der Berg ist heute zaubertoll,
229
Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weisen soll,
3870So müßt ihr’s so genau nicht nehmen.
Faust. Mephistopheles, Irrlicht
(im Wechselgesang).
In die Traum- und Zaubersphäre
Sind wir, scheint es, eingegangen.
Führ’ uns gut und mach’ dir Ehre!
Daß wir vorwärts bald gelangen,
3875In den weiten, öden Räumen.
Seh’ die Bäume hinter Bäumen,
Wie sie schnell vorüber rücken,
Und die Klippen, die sich bücken,
Und die langen Felsennasen,
3880Wie sie schnarchen, wie sie blasen!
Durch die Steine, durch den Rasen
Eilet Bach und Bächlein nieder.
Hör’ ich Rauschen? hör’ ich Lieder?
Hör’ ich holde Liebesklage,
3885Stimmen jener Himmelstage?
Was wir hoffen, was wir lieben!
Und das Echo, wie die Sage
Alter Zeiten, hallet wieder.
Uhu! Schuhu! tönt es näher,
3890Kautz und Kibitz und der Häher,
230
Sind sie alle wach geblieben?
Sind das Molche durch’s Gesträuche?
Lange Beine, dicke Bäuche.
Und die Wurzeln, wie die Schlangen,
3895Winden sich aus Fels und Sande;
Strecken wunderliche Bande,
Uns zu schrecken, uns zu fangen;
Aus belebten, derben Masern
Stecken sie Polypenfasern
3900Nach dem Wandrer. Und die Mäuse
Tausendfärbig, scharenweise,
Durch das Moos und durch die Heide!
Und die Funkenwürmer fliegen,
Mit gedrängten Schwärme-Zügen,
3905Zum verwirrenden Geleite.
Aber sag’ mir ob wir stehen?
Oder ob wir weiter gehen?
Alles Alles scheint zu drehen,
Fels und Bäume, die Gesichter
3910Schneiden, und die irren Lichter,
Die sich mehren, die sich blähen.
Mephistopheles.
Fasse wacker meinen Zipfel!
Hier ist so ein Mittelgipfel,
Wo man mit Erstaunen sieht,
3915Wie im Berg der Mammon glüht.
231
Faust.
Wie seltsam glimmert durch die Gründe
Ein morgenröthlich-trüber Schein!
Und selbst bis in die tiefen Schlünde
Des Abgrunds wittert er hinein.
3920Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden,
Hier leuchtet Gluth aus Dunst und Flor,
Dann schleicht sie wie ein zarter Faden,
Dann bricht sie wie ein Quell hervor.
Hier schlingt sie eine ganze Strecke,
3925Mit hundert Adern, sich durch’s Thal,
Und hier in der gedrängten Ecke
Vereinzelt sie sich auf ein Mahl.
Da sprühen Funken in der Nähe,
Wie ausgestreuter goldner Sand.
3930Doch schau! in ihrer ganzen Höhe
Entzündet sich die Felsenwand.
Mephistopheles.
Erleuchtet nicht zu diesem Feste
Herr Mammon prächtig den Pallast?
Ein Glück daß du’s gesehen hast;
3935Ich spüre schon die ungestümen Gäste.
Faust.
Wie ras’t die Windsbraut durch die Luft!
Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!
232
Mephistopheles.
Du mußt des Felsens alte Rippen packen,
Sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft.
3940Ein Nebel verdichtet die Nacht.
Höre wie’s durch die Wälder kracht!
Aufgescheucht fliegen die Eulen.
Hör’ es splittern die Säulen
Ewig grüner Palläste.
3945Girren und Brechen der Äste
Der Stämme mächtiges Dröhnen!
Der Wurzeln Knarren und Gähnen!
Im fürchterlich-verworrenen Falle
Über einander krachen sie alle,
3950Und durch die übertrümmerten Klüfte
Zischen und heulen die Lüfte.
Hörst du Stimmen in der Höhe?
In der Ferne in der Nähe?
Ja, den ganzen Berg entlang
3955Strömt ein wüthender Zaubergesang.
Hexen
(im Chor).
Die Hexen zu den Brocken ziehn,
Die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün.
Dort sammelt sich der große Hauf,
Herr Urian sitzt oben auf.
3960So geht es über Stein und Stock
Es f–t die Hexe, es st–t der Bock.
233
Stimme.
Die alte Baubo kommt allein,
Sie reitet auf einem Mutterschwein.
Chor.
So Ehre dem, wem Ehre gebührt!
3965Frau Baubo vor! und angeführt!
Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf,
Da folgt der ganze Hexenhauf.
Stimme.
Welchen Weg kommst du her?
Stimme.
Über’n Ilsenstein!
Da guckt’ ich der Eule in’s Nest hinein.
3970Die macht ein Paar Augen!
Stimme.
3970O fahre zur Hölle!
Was reit’st du so schnelle!
Stimme.
Mich hat sie geschunden,
Da sieh nur die Wunden!
Hexen
(Chor).
Der Weg ist breit, der Weg ist lang,
3975Was ist das für ein toller Drang?
Die Gabel sticht, der Besen kratzt,
Das Kind erstickt, die Mutter platzt.
234
Hexenmeister.
(Halbes Chor.)
Wir schleichen wie die Schneck’ im Haus,
Die Weiber alle sind voraus.
3980Denn geht es zu des Bösen Haus,
Das Weib hat tausend Schritt voraus.
Andre Hälfte.
Wir nehmen das nicht so genau,
Mit tausend Schritten macht’s die Frau;
Doch, wie sie auch sich eilen kann,
3985Mit Einem Sprunge macht’s der Mann.
Stimme
(oben).
Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!
Stimmen
(von unten).
Wir möchten gerne mit in die Höh’.
Wir waschen und blank sind wir ganz und gar;
Aber auch ewig unfruchtbar.
Beyde Chöre.
3990Es schweigt der Wind, es flieht der Stern,
Der trübe Mond verbirgt sich gern.
Im Sausen sprüht das Zauberchor
Viel tausend Feuerfunken hervor.
Stimme
(von unten).
Halte! Halte!
Stimme
(von oben).
Wer ruft da aus der Felsenspalte?
235
Stimme
(unten).
Nehmt mich mit! Nehmt mich mit!
Ich steige schon dreyhundert Jahr,
Und kann den Gipfel nicht erreichen.
Ich wäre gern bey meines Gleichen.
Beyde Chöre.
4000Es trägt der Besen, trägt der Stock,
Die Gabel trägt, es trägt der Bock,
Wer heute sich nicht heben kann,
Ist ewig ein verlorner Mann.
Halbhexe
(unten).
Ich tripple nach, so lange Zeit,
4005Wie sind die Andern schon so weit!
Ich hab’ zu Hause keine Ruh,
Und komme hier doch nicht dazu.
Chor der Hexen.
Die Salbe gibt den Hexen Muth,
Ein Lumpen ist zum Segel gut,
4010Ein gutes Schiff ist jeder Trog,
Der flieget nie, der heut nicht flog.
Beyde Chöre.
Und wenn wir um den Gipfel ziehn,
So streichet an dem Boden hin,
Und deckt die Heide weit und breit
4015Mit eurem Schwarm der Hexenheit.
(Sie lassen sich nieder.)
236
Mephistopheles.
Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!
Das zischt und quirt, das zieht und plappert!
Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!
Ein wahres Hexenelement!
4020Nur fest an mir! sonst sind wir gleich getrennt.
Wo bist du?
Faust
(in der Ferne).
Hier!
Mephistopheles.
Was! dort schon hingerissen?
Da werd’ ich Hausrecht brauchen müssen.
Platz! Junker Voland kommt. Platz! süßer Pöbel, Platz!
Hier, Doctor, fasse mich! und nun, in Einem Satz,
4025Laß’ uns aus dem Gedräng’ entweichen;
Es ist zu toll, sogar für meines Gleichen.
Dort neben leuchtet was mit ganz besondrem Schein,
Es zieht mich was nach jenen Sträuchen.
Komm, komm! wir schlupfen da hinein.
Faust.
4030Du Geist des Widerspruchs! Nur zu! du magst mich führen.
Ich denke doch das war recht klug gemacht;
237
Zum Brocken wandlen wir in der Walpurgisnacht
Um uns beliebig nun hieselbst zu isoliren.
Mephistopheles.
Da sieh nur welche bunten Flammen!
4035Es ist ein muntrer Klub beysammen.
Im Kleinen ist man nicht allein.
Faust.
Doch droben möcht’ ich lieber seyn!
Schon seh’ ich Gluth und Wirbelrauch.
Dort strömt die Menge zu dem Bösen;
4040Da muß sich manches Räthsel lösen.
Mephistopheles.
Doch manches Räthsel knüpft sich auch.
Laß du die große Welt nur sausen,
Wir wollen hier im Stillen hausen.
Es ist doch lange hergebracht,
4045Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.
Da seh’ ich junge Hexchen nackt und bloß,
Und alte die sich klug verhüllen.
Seyd freundlich, nur um meinetwillen,
Die Müh’ ist klein, der Spaß ist groß.
4050Ich höre was von Instrumenten tönen!
Verflucht Geschnarr! Man muß sich dran gewöhnen.
Kommt mit! Kommt mit! Es kann nicht anders seyn.
Ich tret’ heran und führe dich herein,
Und ich verbinde dich auf’s Neue.
238
4055Was sagst du Freund? das ist ein kleiner Raum.
Da sieh nur hin! du siehst das Ende kaum.
Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;
Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt;
Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?
Faust.
4060Willst du dich nun, um uns hier einzuführen
Als Zaubrer oder Teufel produciren?
Mephistopheles.
Zwar bin ich sehr gewohnt incognito zu gehn;
Doch läßt am Galatag man seinen Orden sehn.
Ein Knieband zeichnet mich nicht aus,
4065Doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.
Siehst du die Schnecke da! sie kommt herange­krochen;
Mit ihrem tastenden Gesicht
Hat sie mir schon was abgerochen.
Wenn ich auch will, verläugn’ ich hier mich nicht.
4070Komm nur! von Feuer gehen wir zu Feuer,
Ich bin der Werber und du bist der Freyer.
(Zu einigen, die um verglimmende Kohlen sitzen.)
Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?
Ich lobt’ euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände,
239
Von Saus umzirkt und Jugendbraus.
4075Genug allein ist Jeder ja zu Haus.
General.
Wer mag auf Nationen trauen!
Man habe noch so viel für sie gethan;
Denn bey dem Volk, wie bey den Frauen,
Steht immerfort die Jugend oben an.
Minister.
4080Jetzt ist man von dem Rechten allzuweit,
Ich lobe mir die guten Alten;
Denn freylich, da wir Alles galten,
Da war die rechte goldne Zeit.
Parvenü.
Wir waren wahrlich auch nicht dumm,
4085Und thaten oft was wir nicht sollten;
Doch jetzo kehrt sich Alles um und um,
Und eben da wir’s fest erhalten wollten.
Autor.
Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift
Von mäßig klugem Inhalt lesen!
4090Und was das liebe junge Volk betrifft,
Das ist noch nie so naseweis gewesen.
Mephistopheles
(der auf ein Mahl sehr alt erscheint).
Zum jüngsten Tag fühl’ ich das Volk gereift;
240
Da ich zum letzten Mahl den Hexenberg ersteige,
Und, weil mein Fäßchen trübe läuft;
4095So ist die Welt auch auf der Neige.
Trödelhexe.
Ihr Herren geht nicht so vorbey!
Laßt die Gelegenheit nicht fahren!
Aufmerksam blickt nach meinen Waaren,
Es steht dahier gar Mancherley
4100Und doch ist nichts in meinem Laden,
Dem keiner auf der Erde gleicht,
Das nicht ein Mahl zum tücht’gen Schaden,
Der Menschen und der Welt gereicht.
Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen,
4105Kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden Leib,
Verzehrend-heißes Gift ergossen.
Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib
Verführt, kein Schwert das nicht den Bund ge­brochen,
Nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen.
Mephistopheles.
4110Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten.
Gethan geschehn! Geschehn gethan!
Verleg’ sie sich auf Neuigkeiten,
Nur Neuigkeiten ziehn uns an.
241
Faust.
Daß ich mich nur nicht selbst vergesse!
4115Heiß’ ich mir das doch eine Messe!
Mephistopheles.
Der ganze Strudel strebt nach oben;
Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben.
Faust.
Wer ist denn das?
Mephistopheles.
Betrachte sie genau?
Lilith ist das.
Faust.
Wer?
Mephistopheles.
Adams erste Frau.
4120Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren,
Vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt.
Wenn sie damit den jungen Mann erlangt,
So läßt sie ihn sobald nicht wieder fahren.
Faust.
Da sitzen zwey, die Alte mit der Jungen;
4125Die haben schon was Rechts gesprungen!
Mephistopheles.
Das hat nun heute keine Ruh.
Es geht zum neuen Tanz, nun komm! wir grei­fen zu.
242
Faust
(mit der Jungen tanzend).
Einst hatt’ ich einen schönen Traum;
Da sah ich einen Apfelbaum,
4130Zwey schöne Äpfel glänzten dran,
Sie reitzten mich, ich stieg hinan.
Die Schöne.
Der Äpfelchen begehrt ihr sehr
Und schon vom Paradiese her.
Von Freuden fühl’ ich mich bewegt,
4135Daß auch mein Garten solche trägt.
Mephistopheles
(mit der Alten).
Einst hatt’ ich einen wüsten Traum;
Da sah ich einen gespaltnen Baum,
Der hatt’ ein ;
So es war, gefiel mir’s doch.
Die Alte.
4140Ich biethe meinen besten Gruß
Dem Ritter mit dem Pferdefuß!
Halt’ er einen bereit,
Wenn er nicht scheut.
Procktophantasmist.
Verfluchtes Volk! was untersteht ihr euch?
4145Hat man euch lange nicht bewiesen?
Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen;
Nun tanzt ihr gar, uns andern Menschen gleich!
243
Die Schöne
(tanzend.)
Was will denn der auf unserm Ball?
Faust
(tanzend).
Ey! der ist eben überall.
4150Was Andre tanzen muß er schätzen.
Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen;
So ist der Schritt so gut als nicht geschehn.
Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärts gehn.
Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet,
4155Wie er’s in seiner alten Mühle thut,
Das hieß er allenfalls noch gut;
Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet.
Procktophantasmist.
Ihr seyd noch immer da! nein das ist unerhört.
Verschwindet doch! Wir haben ja aufgeklärt!
4160Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel.
Wir sind so klug und dennoch spukt’s in Tegel.
Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt
Und nie wird’s rein, das ist doch unerhört!
Die Schöne.
So hört doch auf uns hier zu ennuyiren!
Procktophantasmist.
4165Ich sag’s euch Geistern in’s Gesicht,
Den Geistesdespotismus leid’ ich nicht;
Mein Geist kann ihn nicht exerciren.
(Es wird fortgetanzt.)
244
Heut, seh’ ich, will mir nichts gelingen,
Doch eine Reise nehm’ ich immer mit
4170Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt,
Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.
Mephistopheles.
Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen,
Das ist die Art wie er sich soulagirt,
Und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergetzen,
4175Ist er von Geistern und von Geist curirt.
(Zu Faust der aus dem Tanz getreten ist.)
Was lässest du das schöne Mädchen fahren?
Das dir zum Tanz so lieblich sang.
Faust.
Ach! mitten im Gesange sprang
Ein rothes Mäuschen ihr aus dem Munde.
Mephistopheles.
4180Das ist was Rechts! Das nimmt man nicht genau.
Genug die Maus war doch nicht grau.
Wer fragt darnach in einer Schäferstunde?
Faust.
Dann sah ich –
Mephistopheles.
Was?
Faust.
Mephisto siehst du dort
Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?
245
4185Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir däucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
Mephistopheles.
Laß das nur stehn! dabey wird’s Niemand wohl.
4190Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen ist nicht gut,
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt,
Von der Meduse hast du ja gehört.
Faust.
4195Fürwahr es sind die Augen eines Todten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir gebothen,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.
Mephistopheles.
Das ist die Zauberey, du leicht verführter Thor!
4200Denn Jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
Faust.
Welch eine Wonne! welch ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
Ein einzig rothes Schnürchen schmücken,
4205Nicht breiter als ein Messerrücken!
246
Mephistopheles.
Ganz recht! ich seh’ es ebenfalls.
Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;
Denn Perseus hat’s ihr abgeschlagen. –
Nur immer diese Lust zum Wahn!
4210Komm doch das Hügelchen heran,
Hier ist’s so lustig wie im Prater;
Und hat man mir’s nicht angethan,
So seh’ ich wahrlich ein Theater.
Was gibt’s denn da?
Servibilis.
Gleich fängt man wieder an.
4215Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben,
Soviel zu geben ist allhier der Brauch.
Ein Dilettant hat es geschrieben,
Und Dilettanten spielen’s auch.
Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verschwinde;
4220Mich dilettirt’s den Vorhang aufzuziehn.
Mephistopheles.
Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde,
4222Das find’ ich gut; denn da gehört ihr hin.