∞Wald und Höhle.
∞Faust
∞allein.
3217Erhabner Geist, du gabst mir, gabst mir Alles,
3218Warum ich bat. Du hast mir nicht umsonst
3219Dein Angesicht im Feuer zugewendet.
3220Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich,
3221Kraft, sie zu fühlen, zu genießen. Nicht
3222Kalt staunenden Besuch erlaubst du nur,
3223Vergönnest mir in ihre tiefe Brust,
3224Wie in den Busen eines Freund’s, zu schauen.
3225Du führst die Reihe der Lebendigen
3226Vor mir vorbey, und lehrst mich meine Brüder
3227Im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen.
3228Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt,
3229Die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste
3230Und Nachbarstämme, quetschend, nieder streift,
3231Und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert;
3232Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst
3233Mich dann mir selbst, und meiner eignen Brust
3234Geheime tiefe Wunder öffnen sich.
3235Und steigt vor meinem Blick der reine Mond
3236Besänftigend herüber; schweben mir
3237Von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch,
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3238Der Vorwelt silberne Gestalten auf,
3239Und lindern der Betrachtung strenge Lust.
3240O daß dem Menschen nichts
Vollkomm’nes wird,
3241Empfind’ ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
3242Die mich den Göttern nah’ und näher bringt,
3243Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
3244Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech,
3245Mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts,
3246Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.
3247Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer
3248Nach jenem schönen Bild geschäftig an.
3249So tauml’ ich von Begierde zu Genuß,
3250Und im Genuß verschmacht’ ich nach Begierde.
∞Mephistopheles tritt auf.
∞Mephistopheles.
3251Habt ihr nun bald das Leben g’nug geführt?
3252Wie kann’s euch in die Länge freuen?
3253Es ist wohl gut, daß man’s einmal probirt;
3254Dann aber wieder zu was Neuen!
∞Mephistopheles.
3257Nun nun! ich lass’ dich gerne ruhn,
3258Du darfst mir’s nicht im Ernste sagen.
3259An dir Gesellen unhold, barsch und toll,
3260Ist wahrlich wenig zu verlieren.
3261Den ganzen Tag hat man die Hände voll!
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3262Was ihm gefällt und was man lassen soll,
3263Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren.
∞Mephistopheles.
3266Wie hätt’st du, armer Erdensohn,
3267Dein Leben ohne mich geführt?
3268Vom Kribskrabs der Imagination
3269Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang kurirt;
3270Und wär’ ich nicht, so wär’st du schon
3271Von diesem Erdball abspazirt.
3272Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen
3273Dich wie ein Schuhu zu versitzen?
3274Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem
Gestein,
3275Wie eine Kröte, Nahrung ein?
3276Ein schöner, süßer Zeitvertreib!
3277Dir steckt der Doctor noch im Leib.
∞Faust.
3278Verstehst du, was für neue Lebenskraft
3279Mir dieser Wandel in der Oede schafft?
3280Ja, würdest du es ahnen können,
3281Du wärest Teufel g’nug mein Glück mir nicht zu
gönnen.
∞Mephistopheles.
3282Ein überirdisches Vergnügen!
3283In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen,
3284Und Erd und Himmel wonniglich umfassen,
3285Zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,
3286Der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,
3287Alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,
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3288In stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,
3289Bald liebewonniglich in Alles überfließen,
3290Verschwunden ganz der Erdensohn,
3291Und dann die hohe Intuition –
∞Mit einer
Geberde.
3292Ich darf nicht sagen wie – zu schließen.
∞Mephistopheles.
3293Das will euch nicht behagen;
3294Ihr habt das Recht gesittet pfuy zu sagen.
3295Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen,
3296Was keusche Herzen nicht entbehren können.
3297Und kurz und gut, ich gönn’ Ihm das Vergnügen,
3298Gelegentlich sich etwas vorzulügen;
3299Doch lange hält Er das nicht aus.
3300Du bist schon wieder abgetrieben,
3301Und, währt es länger, aufgerieben
3302In Tollheit oder Angst und Graus.
3303Genug damit! Dein Liebchen sitzt dadrinne,
3304Und Alles wird ihr eng’ und trüb’.
3305Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne,
3306Sie hat dich übermächtig lieb.
3307Erst kam deine Liebeswuth übergeflossen,
3308Wie vom geschmolznen Schnee ein Bächlein übersteigt;
3309Du hast sie ihr in’s Herz gegossen;
3310Nun ist dein Bächlein wieder seicht.
3311Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen,
3312Liess’ es dem großen Herren gut,
3313Das arme affenjunge Blut
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3314Für seine Liebe zu belohnen.
3315Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;
3316Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehn
3317Ueber die alte Stadtmauer hin.
3318Wenn ich ein Vöglein wär’! so geht ihr Gesang
3319Tagelang, halbe Nächte lang.
3320Einmal ist sie munter, meist betrübt,
3321Einmal recht ausgeweint,
3322Dann wieder ruhig, wie’s scheint,
3323Und immer verliebt.
∞Faust.
3326Verruchter! hebe dich von hinnen,
3327Und nenne nicht das schöne Weib!
3328Bring’ die Begier zu ihrem süßen Leib
3329Nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!
∞Mephistopheles.
3330Was soll es denn? Sie meint, du seyst entfloh’n,
3331Und halb und halb bist du es schon.
∞Faust.
3332Ich bin ihr nah’, und wär’ ich noch so fern,
3333Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;
3334Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn,
3335Wenn ihre Lippen ihn indeß berühren.
∞Mephistopheles.
3336Gar wohl, mein Freund! Ich hab’ euch oft beneidet
3337Um’s Zwillingspaar, das unter Rosen weidet.
∞Mephistopheles.
3338Schön! Ihr schimpft und ich muß lachen.
3339Der Gott, der Bub’ und Mädchen schuf,
3340Erkannte gleich den edelsten Beruf,
3341Auch selbst Gelegenheit zu machen.
3342Nur fort, es ist ein großer Jammer!
3343Ihr sollt in eures Liebchens Kammer,
3344Nicht etwa in den Tod.
∞Faust.
3345Was ist die Himmelsfreud’ in ihren Armen?
3346Laß mich an ihrer Brust erwarmen!
3347Fühl’ ich nicht immer ihre Noth?
3348Bin ich der Flüchtling nicht? der Unbehauste?
3349Der Unmensch ohne Zweck und Ruh?
3350Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste
3351Begierig wüthend nach dem Abgrund zu.
3352Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen,
3353Im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld,
3354Und all ihr häusliches Beginnen
3355Umfangen in der kleinen Welt.
∞Und ich, der Gottverhasste, hatte nicht genug,
3358Daß ich die Felsen fasste
3359Und sie zu Trümmern schlug!
3360Sie, ihren Frieden musst’ ich untergraben!
3361Du, Hölle, musstest dieses Opfer haben!
3362Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen!
3363Was muß geschehn, mag’s gleich geschehn!
3364Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen
3365Und sie mit mir zu Grunde gehn.
∞Mephistopheles.
3366Wie’s wieder siedet, wieder glüht!
3367Geh’ ein und tröste sie, du Thor!
3368Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht,
3369Stellt er sich gleich das Ende vor.
3370Es lebe wer sich tapfer hält!
3371Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt.
3372Nichts Abgeschmackters find’ ich auf der Welt,
3373Als einen Teufel der verzweifelt.